Rheintalzüge können allmählich wieder rollen
Müllheim (dpa) - Der in Südbaden entgleiste Chemie-Güterzug hat am Wochenende eine zentrale Nord-Süd-Achse im europäischen Bahnverkehr lahmgelegt. Die Bergung auf der Strecke Karlsruhe-Basel war komplizierter und langwieriger als erwartet.
Erst am Sonntagabend wurde ein Gleis wieder freigegeben, Mitte der Woche soll ein zweites folgen. Hunderte Züge im Fern-, Nah- und Güterverkehr waren betroffen, tausende Reisende mussten auf Busse umsteigen. Am Unglücksort waren bis zu 200 Helfer im Einsatz.
Am Freitag hatten sich acht Waggons von dem Zug gelöst. Es entstand ein Millionenschaden. Die Unfallursache ist bisher unklar.
Samstagmittag im Bahnhof von Müllheim: Es sieht aus wie auf einem Trümmerfeld: Drei der entgleisten Waggons liegen nach wie vor völlig demoliert quer auf den Schienen, blockieren die Zugstrecke Karlsruhe-Basel. Sie ist mit deutlich mehr als 250 Zügen täglich eine der meistbefahrenen Fernverbindungen der Bahn und eine der bedeutendsten Güterbahnstrecken Europas.
Nichts geht mehr. Die Oberleitung ist heruntergerissen, Schienen wurden von den tonnenschweren Güterzugwaggons aus ihrer Verankerung gerissen und liegen völlig verbogen neben dem zerstörten Gleisbett.
Müllheim entging nur knapp einer Katastrophe. Es liefen nur vergleichsweise harmlose Stoffe aus. Zu einer Explosion oder einem Brand kam es nicht. Das Unglück geschah direkt an der Bahnsteigkante des kleinen Bahnhofs.
An ein schnelles Aufräumen ist nicht zu denken. Zunächst müssen die umgestürzten Waggons geleert und die geladenen Chemikalien in andere Wagen umgefüllt werden. Erst danach können die entgleisten Güterzugwaggons weggebracht werden.
Der Einsatzleiter der Feuerwehr, Michael Stöcklin, bestätigt: „Es ist eine schwierige und hochkomplexe Aufgabe.“ Spezialfirmen müssen anrücken, die demolierten Waggons müssen aufgeschnitten und von ihrer Ladung befreit werden. „Sicherheit geht vor Schnelligkeit“, sagt Stöcklin. Nicht ohne Grund: „Wir haben es mit giftiger und gefährlicher Chemie zu tun.“ Auch die aus Leipzig und Fulda angerollten Spezialkräne stehen zunächst nur herum. Sie rangieren am Bahnhof und warten, bis die Chemiewaggons leer sind.
Sonntagmorgen: Die Chemie ist abtransportiert. Am Sonntagmittag folgt die Nachricht eines Bahnsprechers: „Es ist an der Unfallstelle alles aus den Gleisbereichen weggeräumt.“ Alle Container und Waggons seien geborgen worden. Aber die Reparatur der beschädigten Oberleitungen verzögere die Streckenfreigabe.
Von Sonntagabend durften die Züge dann zumindest auf einem Gleis wieder an der Unglücksstelle vorbeifahren. Allerdings reiche die Kapazität auf diesem Gleis nur für die Hälfte der Züge, die laut Fahrplan eigentlich auf der Strecke unterwegs sein sollten, sagte ein Bahnsprecher. Die übrigen Züge enden weiterhin in Freiburg beziehungsweise Basel, die Passagiere müssen dann in einen anderen ICE umsteigen. Verspätungen soll es in den nächsten Tagen aber kaum noch geben. Ab Mitte der Woche soll dann ein zweites Gleis für den Verkehr geöffnet werden.
Am Wochenende wurden noch alle Fernzüge vom Norden kommend in Freiburg gestoppt, Züge aus dem Süden endeten in Basel. Passagiere mussten zunächst auf Regionalzüge umsteigen, später dann in Busse. Zu Behinderungen kommt es auch im Zugverkehr der Schweiz. Es werde noch Tage dauern, bis auf der Rheintalbahn wieder alles planmäßig läuft, sagt ein Bahnsprecher.
Spezialisten suchen unterdessen nach der Unglücksursache. „Es ist eine sehr komplexe und zeitintensive Ursachenforschung“, sagte Polizei-Einsatzleiter Kai Welzel. Mit konkreten Ergebnissen rechnet er in den nächsten Wochen. Zu Spekulationen, dass eine Baustelle entlang der Strecke zu dem Unglück geführt haben könnte, wollte sich Welzel nicht äußern. Der Lokführer kann nicht helfen. Er liegt mit einem Schock im Krankenhaus.
Müllheim hatte Glück. Aber Anwohner der Bahnstrecke am Oberrhein fordern seit langem: Die beiden neuen Gleise, die die Bahn bauen will, sollen um die Orte herum geführt werden. Zudem sollen die häufig mit gefährlicher Fracht beladenen Güterzüge in Tunneln verschwinden, statt oberirdisch durch Baden zu rollen. „Wir wollen überzeugt werden, dass die Sicherheit der Bürger angemessen berücksichtigt wird. Hier gibt es noch erheblichen Abstimmungsbedarf“, sagte die Landrätin des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald, Dorothea Störr-Ritter (CDU).
Die Bahn will die zwei neue Gleise direkt neben der bestehenden Bahntrasse bauen. Sie wählt damit die kostengünstigste Variante. Noch mehr Züge als bisher würden dann durch die Städte fahren.