Unterhändler kehren zurück Russland greift trotz Friedensgesprächen weiter die Ukraine an
Kiew/Moskau · Unterhändler Russlands und der Ukraine suchen erstmals seit Kriegsgebiet eine diplomatische Lösung. Dennoch greifen die russischen Streitkräfte weiter an. Harte Sanktionen sind in Kraft.
Erstmals seit Beginn des Krieges haben Russland und die Ukraine offiziell über ein Ende der Kampfhandlungen verhandelt. Die russischen Angriffe gingen auf Befehl von Präsident Wladimir Putin trotz der Gespräche auch am Montag weiter. Als Warnung an den Westen versetzte Russland - wie angekündigt - seine Abschreckungswaffen in erhöhte Alarmbereitschaft. Nach der EU verhängten die USA weitere scharfe Sanktionen. Russland sperrte für Deutschland und 35 weitere Staaten seinen Luftraum.
Putin hatte am vergangenen Donnerstag eine „militärische Spezialoperation“ angeordnet, um die Ukraine zu entmilitarisieren und die aus seiner Sicht nationalistische Führung zu stürzen. Er will verhindern, dass die Ukraine der Nato betritt.
Das waren die Ereignisse am fünften Kriegstag:
FRIEDENSGESPRÄCHE
Vor den Verhandlungen waren die Hoffnungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf ein Ende der Invasion gering. Die Delegationen trafen sich am Mittag mit deutlicher Verzögerung. Ergebnisse wurden nach Ende am Abend zunächst nicht bekannt. Die Verhandlungsteams aus Russland und Ukraine sind in ihre Länder zurückgekehrt.
Die russische Delegation wurde angeführt vom Sonderbeauftragten des Kreml, Wladimir Medinski. Die ukrainische Seite führt der Fraktionsvorsitzende der Präsidentenpartei, David Arachamija. Der genaue Ort der Verhandlungen war zunächst nicht bekannt.
Medinski hatte versichert, dass Moskau an einer Einigung interessiert sei. Die Delegation aus Kiew forderte eine unverzügliche Feuereinstellung und den Abzug der Truppen.
Frankreichs Präsident Emmanuel forderte Putin mit Blick auf die Friedensgespräche auf, Offensiven gegen Zivilisten zu beenden. Macron telefonierte mit Putin.
MILITÄRISCHE SITUATION, OPFERZAHLEN, FLÜCHTLINGE
Für die Berichte von den Schauplätzen der Gefechte und Kämpfe sowie über die Zahl der Opfer auf beiden Seiten gab es keine unabhängige Bestätigung.
Das ukrainische Gesundheitsministerium berichtete von 352 getöteten Zivilisten, mindestens 2040 Zivilisten seien verletzt worden. Selenskyj hatte am Freitag von 137 toten Soldaten gesprochen, sich seitdem aber nicht mehr dazu geäußert.
Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs starben seit Beginn des Krieges 4500 russische Soldaten.
Russland räumte Verluste ein, nannte aber keine Zahlen.
Hauptangriffspunkte der russischen Streitkräfte waren weiter die Gegenden um die Hauptstadt Kiew mit ihren 2,8 Millionen Einwohner und die Metropole Charkiw, die zweitgrößte Stadt des Landes.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) berichtete, dass seit Kriegsbeginn mehr als 500 000 Menschen in benachbarte Länder geflohen seien.
STRAFMAßNAHMEN DES WESTENS
Zur Öffnung der Finanzmärkte am Montag traten die neuen EU-Sanktionen gegen die russische Zentralbank in Kraft. Die USA folgten dem Schritt. Nach Angaben der Europäischen Union besteht nun ein Verbot, mit der Zentralbank Geschäfte zu machen. Alle ihre Vermögenswerte in der EU sind eingefroren.
Die Notenbank in Moskau kann nun weltweit keine Geschäfte in US-Dollar mehr abwickeln, wie ein ranghoher Vertreter des Weißen Hauses in Washington erklärte.
Zusammen mit den Sanktionen der Verbündeten sei der Großteil der russischen Devisenreserven im Wert von rund 630 Milliarden US-Dollar nun de facto blockiert.
Die Strafmaßnahme gegen die Zentralbank gilt als mindestens so schwerwiegend wie der in Kürze geplante Ausschluss russischer Finanzinstitute aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift.
Die Schweiz übernahm die EU-Sanktionen gegen Russland. Das beschloss der Bundesrat in Bern.
Die russische Landeswährung, der Rubel, fiel angesichts der neuen Sanktionen stark. Die russische Zentralbank sah sich gezwungen, ihren Leitzins drastisch um 10,5 Punkte auf 20 Prozent zu erhöhen.
REAKTIONEN RUSSLANDS
Die Atommacht Russland versetzte ihre Abschreckungswaffen - wie von Putin befohlen - in erhöhte Alarmbereitschaft. Westliche Politiker werteten das als unverhohlene Drohung mit Atomwaffen, obwohl Putin nicht explizit davon gesprochen hatte.
Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte, die strategischen Raketentruppen, die Nord- und die Pazifik-Flotte und die Teile der Luftwaffe seien nun in erhöhter Alarmbereitschaft.
Der britische Premier Boris Johnson sieht darin ein Ablenkungsmanöver von den Schwierigkeiten, mit denen das russische Militär zu kämpfen habe.
Als Reaktion auf Luftraumsperrungen für russische Maschinen dürfen künftig Flugzeuge aus Deutschland und 35 weiteren Staaten nicht mehr über Russland fliegen. Das teilte die Luftfahrtbehörde Rosawiazija mit. Ausnahmen könne es mit einer Sondergenehmigung geben.
FINANZMÄRKTE
Der Krieg belastete die Finanzmärkte auch zum Wochenstart. Rohstoffe wie Öl wurden teurer. Investoren kauften Anlagen, die als sichere Häfen gelten, wie den US-Dollar, Anleihen oder Gold. Der russische Rubel stürzte ab. Die Börse in Moskau blieb geschlossen.
Der deutsche Aktienmarkt kam erneut unter Druck, auch wenn sich die Verluste in Grenzen hielten im Vergleich zum vergangenen Donnerstag, als Russland seinen Angriff gegen die Ukraine startete.
SPORT
Auch die Weltsportverbände isolierten Russland.
Der Fußball-Weltverband FIFA will Russland nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur von seinen Wettbewerben suspendieren. Damit dürfte die Nationalmannschaft aus Russland nicht an den WM-Playoffs im März und auch nicht an der Weltmeisterschaft in Katar am Jahresende teilnehmen.
Russische und belarussische Sportler und Funktionäre sollen nach dem Willen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC9) nicht mehr an internationalen Wettbewerben teilnehmen dürfen. Diese Empfehlung sprach die IOC-Spitze an alle Weltverbände und Ausrichter von Sportveranstaltungen aus.
Fußball-Zweitligist FC Schalke 04 trennt sich von seinem russischen Hauptsponsor Gazprom. Dies beschloss der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates. Der russische Staatskonzern war bislang wichtigster Geldgeber des mit rund 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten belasteten Traditionsclubs. Der Kontrakt läuft eigentlich noch bis 2025.