San Sebastián als Kulturhauptstadt des Friedens
San Sebastián (dpa) - Trommelwirbel hallt durch die Straßen, mehr als 15 000 Männer, Frauen und Kinder marschieren in Umzügen mit Pauken und Trommeln durch die Stadt.
San Sebastián hat am Tag seines Schutzpatrons, des heiligen Sebastian, sein Programm als Europäische Kulturhauptstadt 2016 eröffnet. Die Küstenstadt in Nordspanien will den Hauptstadt-Titel, den sie zusammen mit Breslau (Wroclaw) trägt, dazu nutzen, die jüngste Vergangenheit von Terror und Gewalt zu überwinden.
Auf der baskischen Metropole mit dem bildschönen Strand La Concha hatte bis vor wenigen Jahren ein dunkler Schatten gelegen. Die Perle an der spanischen Atlantikküste war wie kaum eine andere Stadt vom Terror der baskischen Untergrundorganisation ETA betroffen. Die Überwindung eines Klimas des Hasses und der Angst war daher eines der Motive, die San Sebastián zur Bewerbung um die Ernennung zur Europäischen Kulturhauptstadt bewogen hatten.
Seit die ETA im Oktober 2011 die Strategie des Terrors aufgab, können Politiker sich wieder ohne Leibwächter auf die Straße wagen, und Unternehmer werden nicht mehr zur Zahlung von Schutzgeldern erpresst. Die Wunden sind aber nicht ganz verheilt. Mit ihrem Programm als Kulturhauptstadt will die Metropole mit knapp 200 000 Einwohnern sich vom Image des Terrors und der Gewalt befreien. „Wir wollen die Kultur als einen Faktor des Wandels nutzen“, sagte Bürgermeister Eneko Goia. „Sie soll uns helfen, die noch vorhandenen Wunden zu schließen.“
Die frühere Sommerresidenz der spanischen Könige will als Kulturhauptstadt kein Feuerwerk spektakulärer Shows entzünden und nicht mit Auftritten internationaler Stars glänzen, sondern vor allem die Bürger und Besucher in das kulturelle Programm einbeziehen. Die Kultur soll zu einem Mittel der Verständigung und des Zusammenlebens werden. Das Programm rankt sich um drei Achsen, die als „Leuchttürme“ bezeichnet werden und die Namen „Frieden“, „Leben“ und „Stimmen“ tragen.
Eine wichtige Rolle sollen die Kochkunst und die Gastronomie spielen. Die baskische Küche gilt als die beste in ganz Spanien und San Sebastián als die Gourmet-Hochburg des Königreichs. Nirgendwo im Land sind so viele Drei-Sterne-Köche ansässig wie in der Gegend von Donostia, wie die Stadt auf Baskisch heißt.
Bei der Aufstellung des Kulturprogramms waren die Verantwortlichen zur Improvisation gezwungen, denn politische Streitigkeiten hatten die Vorbereitungen wiederholt zurückgeworfen. Der eigentliche Initiator war der frühere sozialistische Bürgermeister Odón Elorza gewesen. Sein Nachfolger, der Separatist Juan Karlos Izagirre, überwarf sich mit der baskischen Regierung und dem Kulturministerium in Madrid. Die Gemüter beruhigten sich erst, als nach den Wahlen im Mai 2015 der gemäßigte Nationalist Goia neues Stadtoberhaupt wurde. Erst da flossen auch die Sponsorengelder.
San Sebastián musste jedoch Abstriche machen. Die Hoffnung, das vor den Toren der Stadt gelegene Museum des Bildhauers Eduardo Chillida (1924-2002) fünf Jahre nach der Schließung wieder zu öffnen, wurde enttäuscht. Die staatlichen Stellen konnten sich mit den Erben des baskischen Künstlers bislang nicht auf eine Finanzierung der Einrichtung einigen. Umso peinlicher musste es für die Basken sein, dass in der Kulturhauptstadt Breslau eine Ausstellung des Künstlers aus San Sebastián gezeigt wird.
Einen Rückschlag gab es auch bei einem anderen Projekt: San Sebastián hatte vor Beginn seines Programms als Kulturhauptstadt einen zentralen Busbahnhof eröffnen wollen, der sich über drei Ebenen erstreckt. Probleme mit der Anlage zum Rauchabzug zwangen jedoch zu einem Aufschub. So schlimm wie beim Berliner Flughafen soll es aber nicht kommen. Er sei zuversichtlich, dass die Einweihung bald nachgeholt werden könne, sagte der Bürgermeister.