Schau: Cranach der Jüngere erstmals im Mittelpunkt
Lutherstadt Wittenberg (dpa) - Es ist die Geschichte eines jahrhundertelang verkannten Sohnes, die in Wittenberg erzählt wird. Lucas Cranach der Jüngere (1515-1586) stand immer im Schatten seines Vaters.
Der prägte das Bild des Reformators Martin Luther, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband.
In Wittenberg baute der Vater eine große Malerwerkstatt auf. Das Geschäft florierte. Der Sohn führte die Geschäfte schließlich weiter. Anerkennung wird ihm erst Jahrhunderte später zuteil - jetzt mit einer großen Ausstellung in Wittenberg. Die Schau „Lucas Cranach der Jüngere - Entdeckung eines Meisters“ wird dort gezeigt, wo die Cranachs einst lebten und arbeiteten.
120 Bilder auf 850 Quadratmetern erwarten die Besucher im Augusteum, einem sanierten ehemaligen Universitätsgebäude, bis zum 1. November. Eröffnet wird die Ausstellung an diesem Freitag. „Wir zeigen, dass Lucas Cranach der Jüngere ein ausgezeichneter Künstler ist, der seinem Vater durchaus ebenbürtig ist“, sagt Kuratorin Katja Schneider. Sie hat mit ihrem Team Werke aus vielen verschiedenen Museen und Sammlungen zusammengetragen. Manche waren bislang kaum öffentlich zu sehen. Es sind große Gemälde darunter, Holzschnitte, Zeichnungen und Miniaturen in Bibeln.
Wittenberg reiht sich selbstbewusst ein in die vielen Cranach-Ausstellungen in diesem Jahr. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der in Wittenberg wohnt, bringt das so auf den Punkt: „Wer nicht hier war, hat das Kunst- und Kulturjahr 2015 verpasst.“ Es wird der 500. Geburtstag Lucas Cranach des Jüngeren begangen. Für Wittenberg ist es auch ein Warmlaufen für das große Reformations-Jubiläum im Jahr 2017. Man setzt auf internationale Gäste - die auch heute schon wegen Luther und der Kulturgeschichte kommen.
Mit einem Superlativ wirbt Wittenberg: Mit der Landesausstellung - samt Korrespondenzschauen in Dessau und im Wörlitzer Gartenreich - stünden zum ersten Mal überhaupt Leben und Werk Lucas Cranach des Jüngeren im Mittelpunkt einer Ausstellung. Und das auch noch am authentischen Ort.
Gleichzeitig mit dem auf Cranach den Jüngeren gerichteten Fokus mehren sich die Zweifel daran, für welche Werke er wirklich als Urheber gelten kann. Wo hat er selbst Hand angelegt und wo hat er Hand anlegen lassen? Wo ist er selbst abgebildet? Kuratorin Schneider setzt durchaus auch auf Fragezeichen. Weil Vater und Sohn gemeinsam in der Werkstatt gearbeitet hätten, sei die Frage manchmal nicht zu beantworten. Nach 1550 aber, als der Sohn die Werkstatt übernommen hatte, könnten die Werke ihm auch zugeschrieben werden. Im Übrigen hätten die Auftraggeber damals Wert darauf gelegt, „einen Cranach“ zu bekommen. Gemeint war ein Bild im Cranach-Stil.
Die Besucher der Ausstellung sehen die leuchtenden Farben, den Detailreichtum und die Lebendigkeit der Darstellung. Sie kommen besonders zur Geltung durch die dunklen Wände, an die sie gehängt sind und das gedämpfte Licht. Cranach als Meister des Porträts zeigt die Ausstellung in einer Art Schatzkammer. Im nahezu dunklen Raum sind Porträtstudien sächsischer Fürsten und ihrer Verwandten zu sehen. Sie wurden aus dem Museum der Schönen Künste im französischen Reims geliehen und werden Cranach dem Jüngeren zugeschrieben.
Die Schau zeigt den Cranach-Sohn aber auch als Ratsherrn, Kämmerer, Bürgermeister, Familienvater und umtriebigen Unternehmer, der um seine Lizenz für den Weinausschank kämpfte - noch mehr Argumente für die Ausstellungsmacher, ihn aus dem Schatten des Vaters herauszuholen.