Schiff mit etwa 450 Menschen kentert auf dem Jangtse

Jianli (dpa) - Aus einem gekenterten Touristenschiff auf dem Jangtse-Fluss in Zentralchina haben Helfer am Dienstag noch drei Überlebende geborgen. Ihre Rettung aus einer Luftblase im Rumpf des Schiffes erschien wie ein kleines Wunder.

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Mit jeder Stunde schwand am Tag nach dem Unglück die Hoffnung, die mehr als 400 Vermissten noch lebend zu finden. Als das Flusskreuzfahrtschiff „Stern des Orients“ in einem Tornado am Montagabend bei Jianli (Provinz Hubei) kenterte, waren mehr als 450 Menschen an Bord.

Die Bergungsarbeiten liefen auf Hochtouren. Bislang konnten aber nur 15 Überlebende gerettet werden, wie das Staatsfernsehen berichtete. Auch wurden erst sechs Leichen geborgen. Die Rettungsmannschaften gingen gleichwohl davon aus, dass noch mehr Überlebende gefunden werden könnten, schrieb die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Starker Wind und Regenfälle behinderten die Bergungsarbeiten.

Taucher berichteten, wegen der komplizierten Baustruktur des Schiffes habe es lange gedauert, einen 20-Jährigen aus dem Schiff zu retten. Es lag kieloben in 15 Meter tiefem Wasser. Die Einsatzkräfte gingen Klopfgeräuschen aus dem Rumpf nach. Es könnte mehrere Luftblasen in dem Schiff geben, wo Überlebende ausharrten, meinten Experten. Bergungstrupps hatten ein Loch in den Schiffsrumpf geschnitten, um die am Dienstag geretteten drei Menschen zu erreichen. Premier Li Keqiang koordinierte die Arbeiten persönlich vor Ort.

An Bord des Touristenschiffes waren meist ältere chinesische Touristen, die eine elftägige Tour über den Jangtse-Strom und Tagesausflüge zu historischen Stätten gebucht hatten. Viele dürften im Schlaf überrascht worden sein. Unter den wenigen Geretteten sind der Kapitän und Chefingenieur, die in Polizeigewahrsam kamen.

Sie gaben an, dass plötzlich ein Tornado das Schiff in Schieflage und zum Kentern gebracht habe. Es sei „innerhalb von ein oder zwei Minuten“ gesunken, zitierte die Nachrichtenagentur Xinhua den Kapitän. Das Wetterbüro bestätigte anhand von Radaraufzeichnungen, das in dem Gebiet 15 bis 20 Minuten lang ein Wirbelsturm getobt habe.

Die „Stern des Orients“ war auf dem Weg von Nanjing in Ostchina nach Chongqing im Südwesten, als das Unglück flussabwärts des berühmten Touristenziels der Drei Schluchten passierte. Starker Wind mit Geschwindigkeiten „bis zu 120 Kilometer pro Stunde“ habe das Schiff kentern lassen, schrieb die Zeitung „Hubei Ribao“.

Der 43-jährige Zhang Hui berichtete, starker Wind und heftiger Regen hätten so stark gegen die rechte Seite gedrückt, dass Wasser selbst durch geschlossene Fenster gedrungen sei. Dann sei das Schiff gekippt. „Es sieht so aus, als wenn wir in Schwierigkeiten wären“, habe er zu seinem Kollegen gesagt, berichtete der Angestellte eines Reisebüros der Staatsagentur Xinhua.

Sie hätten nur 30 Sekunden gehabt, um eine Schwimmweste zu greifen, als das Schiff gekentert sei. Er könne nicht schwimmen und habe die Weste auch nicht mehr anziehen können, so habe er sich einfach daran festgehalten und sei im kalten Wasser getrieben. Er habe anfangs noch die Hilferufe von etwa einem Dutzend anderer hören können, die aber schwächer geworden seien, zitierte ihn Xinhua.

Ein vorbeifahrendes Schiff habe ihn nicht gehört oder gesehen. „Halt durch“, habe er sich gesagt. Im Morgengrauen sei er völlig erschöpft an Land geschwemmt worden, habe sich mühsam zu einem Haus geschleppt und sei ins Krankenhaus gebracht worden.

„Ich lebe noch“, sei es aus ihm herausgebrochen, als er seine Familie angerufen habe. Seine Frau und sein 15-jähriger Sohn seien in Tränen ausgebrochen, weil sie glaubten, dass er kaum Überlebenschancen gehabt habe. „Wenn es nicht so schnell gegangen wäre, hätten eine Menge Leute gerettet werden können“, glaubt Zhang Hui, auch weil es überall Schwimmwesten gegeben habe.

Von dem 76 Meter langen Schiff ragten nur der Kiel und halb die Schiffsschraube sowie das Ruder aus dem Wasser. Über die genaue Zahl der Menschen an Bord gab es widersprüchliche Angaben. Nachdem anfangs von 458 Menschen an Bord die Rede war, sprachen Staatsmedien später nur noch von 456. Davon seien 405 Touristen gewesen - meist zwischen 60 und 80 Jahre alt.

Mehr als 3000 Polizisten, Soldaten und Helfer sowie mehr als 30 Schiffe und mehr als 100 kleinere Boote waren im Einsatz. Allein die paramilitärische Polizei schickte mehr als tausend Soldaten, die mit 40 Schlauchbooten bei den Bergungsarbeiten helfen sollen.