Forschungseinrichtung Schönheit im Büchertempel: Herzogin Anna Amalia Bibliothek
Weimar (dpa) - Er gilt als einer der schönsten Bibliotheksräume in Europa und hat durch seine ovale Form etwas Sakrales: Der Rokokosaal im Stammhaus der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar.
Büchertempel und Heiligtum der Klassik - das sind nur zwei Ehrenbezeichnungen für die mehr als 325 Jahre alte renommierte Forschungsbibliothek. Seit 1998 gehört sie zum klassischen Weltkulturerbe. In der Nacht zum 3. September 2004 waren die teils jahrhundertealten Buch- und Kunstschätze jedoch in höchster Gefahr. Drei Wochen vor dem geplanten Auszug der kostbaren Bücher, Gemälde, Büsten und Globen für die geplante Generalsanierung des Gebäudes brach ein verheerendes Feuer aus. Meterhoch schlugen die Flammen aus dem Dach.
„Ein unglaubliches Restaurierungsprojekt begann“, sagt Bibliotheksdirektor Reinhard Laube. Bereits drei Jahre später, am 24. Oktober 2007, konnte das Bibliotheksstammhaus der Öffentlichkeit mit einem Festakt wieder übergeben werden. Rund 82 000 Besucher aus aller Welt sahen seitdem den Rokoko- sowie den Renaissancesaal. Das Oval des 1766 fertiggestellten Rokokosaales mit seinen zwei Galerien präsentiert sich wieder in Weiß mit einem leichten Anflug von Blau und goldenen Verzierungen, wie zur Zeit Anna Amalias (1739-1807). Sie hatte das „Grüne Schlösschen“ zur Bibliothek umbauen lassen. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) hatte zeitweise die Oberaufsicht.
Mehr als 50 000 Bücher wurden 2004 ein Opfer der Flammen. Weitere 118 000 wurden von Ruß, Feuer und Wasser beschädigt, darunter 25 000 sogenannte Aschebücher, die außen verkohlt und innen teilweise intakt waren. Dass nicht mehr Verluste zu beklagen waren, ist auch den Hunderten Weimarer Bürgern zu verdanken, die versuchten, ungeachtet auflodernder Flammen und Gefahren, wertvolle Bücher aus dem Haus zu retten. Ursache für den Brand war vermutlich ein defektes Elektrokabel.
Auch der Rokokosaal wurde beschädigt. Rund 380 000 Liter Löschwasser ergossen sich über Mauerwerk, Decken und Holzregale. „Es gab nur Probleme“, hatte der leitende Architekt Walter Grunwald vor der Wiedereröffnung 2007 gesagt. Die von dem Löschwasser vollgesogenen Mauern, Decken und Holzregale mussten äußerst behutsam und in unterschiedlicher Geschwindigkeit getrocknet werden. „Das Feuer wurde 67 Stunden lang mit Wasser bekämpft, 15 Monate dauerte es, die Wasserschäden zu beseitigen.“
Dass das Stammhaus der renommierten Forschungsbibliothek der Klassik Stiftung so schnell am Geburtstag der Namenspatronin wiedereröffnet werden konnte, war auch der einmaligen Welle der Solidarität zu verdanken. Mehr als elf Millionen Euro wurden für die Restaurierung und den Ersatz verlorener Buchschätze gespendet. Das Geld kam von vielen tausend Einzelspendern und von großen Firmen - von wenigen Euros bis zu fünf Millionen Euro. Für den damaligen Bibliotheksdirektor Michael Knoche, der aus dem Flammen mit Erlaubnis der Feuerwehr eine seltene Gutenberg-Bibel holte, ist „die Fürstenbibliothek so auch zu einer Bürgerbibliothek geworden“.
13 Jahre nach dem Feuer hat die Bibliothek viele Buchlücken schließen können. „Zusammen mit 27 Auftragswerkstätten konnten 83 000 der 118 000 geborgenen Bücher dekontaminiert und restauriert werden“, sagt Laube, der vor einem Jahr die Bibliotheksleitung von Knoche übernahm. Von den 25 000 Aschebüchern seien 5000 Exemplare mit 1,2 Millionen Blatt restaurierungsfähig. „Bislang konnten 740 000 Blatt nach einem in der eigenen Restaurierungswerkstatt entwickelten Verfahren restauriert werden“, betont Laube. Die 50 000 verlorenen Bücher konnten durch Ankäufe oder Schenkungen bereits weitgehend durch neue Exemplare ausgeglichen werden.
16,7 Millionen Euro habe die Bücherrestaurierung bislang gekostet. „Bis 2024 sind jährlich noch 1,2 Millionen Euro notwendig.“ Es sei eine „generationenübergreifende“ Aufgabe, meint der Direktor.