Schwere Vorwürfe gegen Galliano

Dem bekannten Modeschöpfer wird Antisemitismus vorgeworfen. Dior lässt offen, ob er bei den bevorstehenden Prêt-à-Porter-Schauen dabei sein darf.

Paris. Die Models stehen bereit, die Kollektionen sind fertig — doch Diors Kreativdirektor kämpft wenige Tage vor den Pariser Prêt-à-Porter-Schauen nicht mit Nadel und Faden, sondern gegen Paragrafen. Eine gegen den mittlerweile suspendierten John Galliano erstattete Anzeige wegen antisemitischer Pöbeleien und Beleidigung scheint nur der Anfang gewesen zu sein.

Kurz vor einer Gegenüberstellung mit dem Paar, das ihn angezeigt hatte, wurde am Montag einem Medienbericht zufolge eine zweite Anzeige erstattet. Eine 48-Jährige hatte demnach im Oktober 2010 ein ähnliches Erlebnis mit dem angetrunkenen Galliano, meldete sich aber erst jetzt. Der Tatort soll beide Male Gallianos Stammlokal im Szeneviertel Marais gewesen sein.

Das britische Skandalblatt „The Sun“ setzte noch eins drauf: Es stöberte ein Video auf, das einen offensichtlich betrunkenen, Galliano ähnelnden Mann beim Pöbeln in einem Bistro zeigt. Lallend erklärt er einer Tischnachbarin: „I love Hitler“ („Ich liebe Hitler“). Es folgen antisemitische Entgleisungen. Unklar blieb allerdings, ob es sich bei dem Mann tatsächlich um Galliano handelt. Dennoch lief das Video unbekannter Herkunft am Montag über französische TV-Bildschirme.

Der für seinen exzentrischen Stil bekannte britische Modedesigner kommt damit zunehmend in Erklärungsnot; es wird immer unwahrscheinlicher, dass Galliano am Freitag bei der Dior-Modenschau erscheint. „Kein Kommentar“, hieß es auch am Montag auf entsprechende Fragen aus dem Hause Dior.

Das renommierte Modehaus versucht einen schweren Imageschaden abzuwenden und hat seinen als narzisstisch und schwierig verschrienen Kreativdirektor bis zur Aufklärung der Vorwürfe suspendiert. Nach Informationen der französischen Zeitung „Journal du Dimanche“ sollen dem Hause verbundene Hollywood-Stars wie Sharon Stone vor der Oscar-Verleihung vorsorglich per E-Mail gebeten worden sein, keine öffentlichen Stellungnahmen zu dem Fall abzugeben.

Für Galliano steht nicht nur seine Karriere als Kreativdirektor im Hause Dior auf dem Spiel. Der Modemacher ist auch über sein eigenes Label vom Wohlwollen seiner Auftraggeber abhängig. Denn die Marke John Galliano wird zu 91 Prozent von Dior kontrolliert.

Galliano bestreitet die Vorwürfe und hat das Paar, das ihn anzeigte, ebenfalls angezeigt — wegen Diffamierung. Am Montag erschien er zu einer Gegenüberstellung auf einer Polizeiwache in Paris. Das Paar blieb bei seiner Version. Mehrere Zeugen gaben nach französischen Medienberichten allerdings zu Protokoll, sie hätten die angeblichen Ausfälle des Modeschöpfers nicht gehört.

Unbestritten ist, dass Galliano unter Alkoholeinfluss stand — so wie im Oktober, wie die neue Klägerin behauptet. Sie habe seine schweren judenfeindlichen Entgleisungen im Marais — dem historischen jüdischen Viertel der Stadt — damals noch mit seiner Trunkenheit entschuldigt. Die nun bekanntgewordene Klage habe sie zum Umdenken bewogen.