Seltener Prozess: Kino-Amokläufer von Aurora steht vor Gericht
Schuldfähig oder nicht? Auf diese Frage wird sich wohl das Verfahren gegen den mutmaßlichen Aurora-Amokläufer konzentrieren. Angehörige fürchten, dass der Mammut-Prozess das Trauma in der Gemeinschaft weiter aufreißt.
Denver (dpa) - Amokläufer überleben selten, meist richten sie sich nach ihren Taten selbst oder werden von der Polizei erschossen. Allein deshalb ist der Prozess gegen den mutmaßlichen Kino-Mörder von Aurora im US-Staat Colorado eine echte Rarität. 27 Jahre alt ist der Beschuldigte James Holmes alt. Die Anklage: Bei einem schwer bewaffneten Überfall im Juli 2012 auf eine nächtliche Vorführung des neuesten „Batman“-Films soll der Student 12 Zuschauer getötet und 58 weitere verletzt haben - die meisten Opfer waren junge Leute. Der Prozess sollte am Dienstag (1700 MEZ) zunächst mit der Geschworenenauswahl beginnen.
Sollte Holmes für schuldig befunden werden, droht ihm die Todesstrafe. Doch bereits vor Prozessbeginn zeichnete sich ab: Das schwerste Stück Arbeit dürfte es werden, die Schuldfähigkeit des Angeklagten zu prüfen. Die Verteidigung plädiert auf Unzurechnungsfähigkeit. So habe sich Holmes vor seiner Tat einer Psychologin der Universität offenbart - diese habe die Universität über die Gefährlichkeit des jungen Mannes unterrichtet.
Für die Angehörigen ist das Verfahren äußerst schwierig. Megan Sullivan setzt sich manchmal in den Kinosessel, in dem ihr Bruder Alex erschossen wurde. Er feierte seinen 27. Geburtstag mit der „Batman“-Vorstellung. Monatelang werde die Gemeinschaft das Trauma des Amoklaufs wieder durchleben müssen, fürchtet die 28-Jährige.
Denn fest steht: Es dürfte ein Mammut-Prozess werden. Allein die Geschworenenauswahl ist ein umständlicher Prozess und dürfte Monate dauern. Hunderte geladene Bürger müssen zunächst Fragebogen ausfüllen. Die eigentliche Befragung der potenziellen Geschworenen soll etwa Mitte Februar beginnen. Die zwölf Geschworenen werden über das Schicksal des jungen Mannes zu entscheiden haben. Ein Urteil dürfte es kaum vor Jahresende geben.
Die Tat hätte einem Horrorfilm entspringen können: Mit Gasmaske und Schutzweste drang der Täter in das Kino ein, warf Rauchbomben, versprühte Tränengas. Einige Kinobesucher glaubten zunächst, alles sei nur ein ganz besonderer Werbegag - bis die tödlichen Schüsse durch das Kino peitschten.
Zehn Menschen starben noch im Kino - unter ihnen ein sechsjähriges Mädchen. „Unsere Gemeinschaft leidet immer noch“, sagt Tiina Marie Coon, deren Sohn Tanner den Amoklauf überlebte. Gemeinsam mit Megan Sullivan kämpft sie für ein dauerhaftes Andenken an die Opfer.
Medienberichten zufolge bot die Verteidigung bereits an, dass sich ihr Mandant schuldig bekennen könne - wenn die Staatsanwaltschaft im Gegenzug auf die Forderung nach der Todesstrafe verzichten würde. Doch aus einem solchen Deal wurde bisher nichts.
Die Staatsanwaltschaft will in dem Prozess betonen, dass Holmes seine Tat monatelang plante, sich ein Arsenal an Waffen sowie Tausende Schuss Munition zulegte und seine Wohnung mit mehreren Sprengfallen versah, die ganz offensichtlich für die Ermittler gedacht waren. Das lasse auf scharfen Verstand und Schuldfähigkeit schließen.
Die Verteidigung sieht das anders: Holmes habe den Amoklauf während einer besonders psychotischen Phase begangen. Medienberichten zufolge hatte sich der Täter der Polizei mit dem Hinweis ergeben, er sei der Bösewicht und Batman-Gegenspieler „Joker“.