Sikh-Prozession zieht durch Essen - Bürger sind beeindruckt

Eine „Nagar Kirtan“-Prozession der Sikhs sieht man in Deutschland nicht alle Tage. Und auch für die Essener Gemeinde war es die erste, die sie organisiert hatte. Eine Woche nach dem Bombenanschlag auf ihr Gemeindezentrum. Viele Polizisten sorgten für Sicherheit.

Mitglieder der Sikh-Gemeinde während der Prozession in Essen.

Foto: Roland Weihrauch

Essen (dpa) Spielerisch schlagen in traditionelle Uniformen gekleidete Jugendliche stumpfe Schwerter aneinander und lachen sich an. Andere drehen mit bunten Plastikkugeln beschwerte Schnüre über sich, so dass sich ein Rad ergibt. Die Sikh-Gläubigen sind extra aus Frankreich nach Essen geholt worden, um die traditionelle Kampfkunst „Gatka“ bei einer Prozession vorzuführen. Erst vor einer Woche explodierte eine Bombe vor dem Sikh-Gemeindezentrum in Essen. Drei Menschen wurden verletzt, einer von ihnen schwer, es war der Priester der Gemeinde. Kurz vor dem Attentat waren bei einer indischen Hochzeit noch rund 200 Menschen dort gewesen - um ein Haar wäre noch Schlimmeres passiert.

Zwei Jugendliche aus Essen und Gelsenkirchen, die erst 16 Jahre alt sind, sollen die Täter sein. Sie sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Sie haben laut Essener Polizei klare Bezüge zur islamistischen Terrorszene. Die Hintergründe des Anschlags sind unklar. Über die Motive der beiden wurde bislang noch nichts bekannt.

Nach Anschlag: Prozession der Sikh-Gemeinde in Essen
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Nach Anschlag: Prozession der Sikh-Gemeinde in Essen

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Nur eine Woche nach dem Anschlag veranstalten die Essener Sikhs trotzdem ihre seit Monaten geplante Prozession namens „Nagar Kirtan“. Dabei geht es auch darum, sich als Minderheit bekannt zu machen. Denn nur in Indien gibt es eine Region, in der die weltweit etwa 27 Millionen Sikhs die Mehrheit bilden. Etwa 1000 Gläubige sind gekommen. Die meisten aus Deutschland, aber auch aus dem benachbarten Ausland.

„Wir wollen Solidarität und Präsenz zeigen - deshalb sind viele Leute gekommen“, sagt ein Sikh aus Stuttgart. „Sikhs - Für Frieden auf Erden“ steht auf einem Plakat, das einige Männer vor der religiösen Demonstration hertragen. „Ich finde das gut. Die setzen ein mutiges Zeichen für den Frieden“, sagt Uwe Schmitz (51) aus Mülheim/Ruhr, der an einer Bushaltestelle die Prozession beobachtet. Die hat es für Außenstehende in sich: Die Heilige Schrift der Sikhs wird auf einem Lastwagen unter einem goldenen Baldachin mitgeführt. Dahinter sitzen Priester, einer schwenkt eine Art Wedel über dem mit einem Tuch bedeckten Buch. Festlich geschmückte Gemeindeglieder singen religiöse Lieder und Gebete. Ein Kinderchor fährt auf einem Extra-Lastwagen mit. Fahnen- und Schwertträger fallen ins Auge. Helfer verteilen Äpfel und Informationsmaterial an interessierte Passanten. Später bei der zentralen Versammlung werden an Nicht-Sikhs noch kleine Büchlein verteilt, die alle Bräuche erklären.

Am Straßenrand stehen Harald und Elke Risse aus Essen. Sie seien neugierig gewesen nach den vielen Berichten der vergangenen Tage. „Es ist mutig und beeindruckend, dass die Gemeinde diese Prozession eine Woche nach den Anschlägen durchzieht“, sagt der 56-Jährige. Ihnen sind die Teilnehmer sympathisch: „Es gibt keine Aggressivität. Sie kommen freundlich auf einen zu.“ Frau Risse hält einen großen roten Apfel in der Hand. Später ist auch Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) dabei. „Die Veranstaltung ist ein starkes Zeichen dafür, dass wir uns nicht einschüchtern lassen. Ich bin auch der Oberbürgermeister der Sikhs“, sagt er.

Auf dem Parkplatz vor dem Fußballstadion von Rot-Weiss Essen gibt es Reden, ein Linsengericht und Fladenbrot wird gereicht. Getränke und Süßigkeiten gibt es auch. Alle sind eingeladen. Kuriosität am Rande: Auch eine Dudelsackband aus Düsseldorf läuft mit. „Wir wurden von der Gemeinde engagiert“, erklärt ein Spieler. Der Sikh aus Stuttgart sagt, warum das durchaus passt: „Schottische Musik gehört auch zur indischen Kultur dazu.“