Krieg in Ukraine „Akt der Verzweiflung“ - So bewerten Scholz, Biden und Co. Putins Teilmobilmachung
Russlands Präsident Wladimir Putin hat eine Teilmobilmachung angekündigt, um Hunderttausende Reservisten in den Krieg schicken zu können. Der Westen sieht eine „Eskalation“ und ein Zeichen der „Verzweiflung“. Die Reaktionen im Überblick.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Mittwochmorgen eine Teilmobilmachung angekündigt - nach zahlreichen Misserfolgen seines seit knapp sieben Monaten andauernden Angriffskrieges gegen die Ukraine. Bisher hatten dort Freiwillige gekämpft. Jetzt zwingt Putins Erlass die Menschen zum Kriegseinsatz. 300 000 Reservisten sollen bei der Teilmobilmachung zum Kämpfen in die Ukraine geschickt werden. Beobachter auch in Russland sprechen von einem verzweifelten Schritt des Kremlchefs. Trotz Reiseverboten versuchten viele Russen, sich ins Ausland zu retten. Reaktionen auf die Ankündigung des Kremlchefs im Überblick:
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die jüngsten Entscheidungen von Präsident Wladimir Putin und seiner Regierung als „Akt der Verzweiflung“ bezeichnet. „Russland kann diesen verbrecherischen Krieg nicht gewinnen“, sagte Scholz am Mittwoch in New York am Rande der UN-Generalversammlung. „Mit den jüngsten Entscheidungen macht (der russische Präsident Wladimir) Putin, macht Russland das alles nur noch viel schlimmer.“ Putin habe die Situation von Anfang an „komplett unterschätzt“. Das gelte sowohl für den Widerstandswillen der Ukrainer als auch für die Geschlossenheit der Freunde der Ukraine.
Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) sprach von einer weiteren „Eskalation dieses völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine“. Dies sei ein „schlimmer und falscher Schritt, den wir scharf verurteilen“ und über dessen Folgen die Bundesregierung beraten werde, sagte Habeck.
US-Präsident Joe Biden hat die vom russischen Staatschef Wladimir Putin angekündigte Teilmobilmachung im Krieg gegen die Ukraine und die Drohung eines möglichen Atomwaffeneinsatzes scharf kritisiert. Russland spreche „verantwortlungslose atomare Drohungen zum Einsatz von Atomwaffen“ aus, sagte Biden am Mittwoch vor der UN-Vollversammlung in New York. „Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf nie geführt werden.“
Biden warf Russland in seiner Rede bei der 77. Generaldebatte der UN-Vollversammlung vor, mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine „schamlos“ gegen die Kernprinzipien der UN-Charta verstoßen zu haben. Russland wolle das Recht der Ukraine „auslöschen, als Staat zu existieren“.
„Jetzt beruft Russland mehr Soldaten ein, um sich dem Kampf anzuschließen, und organisiert ein Schein-Referendum, um in einer äußerst schweren Verletzung der UN-Charta Teile der Ukraine zu annektieren“, sagte Biden.
Ähnlich sieht es auch die US-Botschafterin in Kiew, Bridget Brink. „Scheinreferenden und Mobilisierung sind Zeichen von Schwäche, von russischem Versagen“, schrieb sie auf Twitter.
Großbritannien hat die russische Teilmobilmachung scharf kritisiert und als Zeichen der Schwäche gewertet. „Dass Präsident (Wladimir) Putin seine eigenen Versprechen bricht, Teile der Bevölkerung nicht zu mobilisieren sowie die illegale Annexion von ukrainischen Gebieten sind Eingeständnisse, dass seine Invasion scheitert“, sagte Verteidigungsminister Ben Wallace am Mittwoch einer Mitteilung zufolge.
Putin und der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hätten „Zehntausende ihrer eigenen Bürger in den Tod geschickt, schlecht ausgerüstet und schlecht angeführt“, sagte Wallace. Mit Blick auf Putins Erwähnung von Atomwaffen betonte der Minister: „Keine noch so große Drohung oder Propaganda kann die Tatsache verbergen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt, die internationale Gemeinschaft geeint ist und Russland zu einem globalen Paria wird.“
Der in Russland inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawlany hat bei einem Auftritt vor Gericht beklagt, dass der „verbrecherische Krieg“ von Präsident Wladimir Putin immer schlimmere Ausmaße annehme. Putin wolle so viele Menschen wie möglich in das Blutvergießen in der Ukraine mit hineinziehen, sagte Nawalny am Mittwoch bei einer Verhandlung, in der es um seine Rechte als Gefangener ging. „Um seine eigene Macht zu verlängern, zerfleischt er das Nachbarland, tötet dort Menschen. Und jetzt wirft er noch eine riesige Zahl an russischen Bürgern in den Fleischwolf“, sagte Nawalny.
Einer Mitteilung von Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch zufolge kritisierte der Politiker, dass unbeteiligte Reservisten für den von Putin angezettelten Krieg eingezogen würden, aber der Kreml nicht die millionenstarke Armee in den Kampf schicke. „Ich verstehe eins nicht. Die Armee hat eine Million Menschen, die Nationalgarde 350 000 und das Innenministerium hat noch einmal anderthalb bis zwei Millionen - und so viele im Strafvollzugssystem. Warum ziehen sie Bürger ein?“, fragte Nawalny.
Auch die Europäische Union hat die russische Teilmobilmachung scharf kritisiert. Die Ankündigung von Präsident Wladimir Putin sei „ein weiterer Beweis, dass Putin nicht an Frieden interessiert ist, sondern an einer Eskalation seines Angriffskriegs“, sagte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, Peter Stano, am Mittwoch in Brüssel. „Das ist auch ein weiteres Zeichen seiner Verzweiflung“, betonte Stano.
Borrells Sprecher verurteilte zudem Putins Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen. Der russische Präsident nutze Nuklearwaffen „als Teil seines Terror-Arsenals“, sagte Stano. Die internationale Gemeinschaft müsse Druck auf Putin machen. Ansonsten drohten weitreichende Auswirkungen für den europäischen wie asiatischen Kontinent.
Angesichts der massiv verschärften Lage berät die EU dem Sprecher zufolge über eine weitere Verschärfung ihrer Sanktionen gegen Russland sowie eine Aufstockung der Militärhilfe an die Ukraine. Der Außenbeauftragte Borrell hat eine weitere Tranche von 500 Millionen Euro für gemeinsame Waffenkäufe für die Ukraine ins Gespräch gebracht. Damit würde die gemeinsame Militärhilfe auf drei Milliarden Euro steigen.