SPD greift Justizministerin an

Im Gefängnis Gelsenkirchen sollen Häftlinge misshandelt worden sein. Die Opposition kritisiert, dass sie nicht informiert wurde – trotz des Siegburger Foltermords.

Gelsenkirchen/Düsseldorf. Das Martyrium soll mehr als zwei Wochen gedauert haben: Im Frühjahr kommenden Jahres wird das Landgericht Essen gegen zwei 25 und 26 Jahre alte Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Gelsenkirchen verhandeln, die in einer Vier-Mann-Zelle zwei Mithäftlinge gedemütigt und misshandelt haben sollen.

Die Staatsanwaltschaft Essen wirft den beiden Beschuldigten unter anderem sexuelle Nötigung und gemeinschaftliche Körperverletzung vor, wie ein Sprecher des Landgerichts gestern sagte und damit einen Bericht der "Bild"-Zeitung bestätigte. Seit gestern hat der Fall auch eine politische Dimension: Die SPD attackierte Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU), weil diese den Landtag nicht über den Vorfall informiert habe.

"Wir gehen davon aus, dass das Parlament nach dem Foltermord von Siegburg hätte informiert werden müssen", sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Sichau. Dies sei umso erforderlicher gewesen, da zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat der Untersuchungsausschuss des Landtags den Siegburger Fall noch aufgearbeitet habe.

Es liege die Vermutung nahe, dass der Gelsenkirchener Fall habe "vertuscht" werden sollen. Im Siegburger Gefängnis war im November 2006 ein 20-jähriger Häftling von drei Zellengenossen gequält und gezwungen worden, sich zu erhängen (siehe Kasten).

In Gelsenkirchen sollen die Angeklagten einem der beiden Opfer ein zwei Meter langes Stromkabel um den Hals gelegt und es aufgefordert haben, sich zu erhängen. Die Übergriffe wurden bekannt, als eines der Opfer die Vorfälle meldete, die sich zwischen dem 15. und 31. März 2008 ereignet haben sollen, wie der Landgerichtssprecher erläuterte. Insgesamt gehe es um 20verschiedene Vorfälle. Beide Beschuldigte bestreiten die Taten.

Die SPD will den Fall nun am 14. Januar im Rechtsausschuss des Landtags thematisieren. Ein Sprecher des Justizministeriums warf Sichau vor, den Vorfall in Gelsenkirchen "skandalisieren" zu wollen, und wies die Vorwürfe zurück.

Die Behörde habe dem Landtag nichts verschwiegen. Vielmehr sei er gemäß Absprache mit den Fraktionen im Januar über Gewalttätigkeiten zwischen Gefangenen aus dem Jahr 2007 informiert worden. Demnächst werde die Behörde über Vorkommnisse aus 2008 berichten. Die CDU-Fraktion warf der SPD vor, sie versuche das "furchtbare Verbrechen" von Siegburg zu "instrumentalisieren".