Spektakuläre Zeitreise ins antike Pergamon
Berlin (dpa) - Egal, ob man es für Kunst oder Kitsch hält - spektakulär ist es in jedem Fall: Der Künstler Yadegar Asisi zeigt auf der Berliner Museumsinsel ein Großpanorama der untergegangenen griechischen Stadt Pergamon, das den Zuschauer buchstäblich mitten in das quirlige Gewusel der alten Metropole versetzt.
Von einem Podest in der Mitte des Raumes hat der Betrachter einen Blick auf das 25 mal 100 Meter große Rundbild, als stünde er direkt auf dem Burgberg.
Die aufsehenerregende Installation ist Teil einer Ausstellung, mit der das Pergamonmuseum erstmals eine wissenschaftlich fundierte Gesamtschau über das Leben in der antiken Metropole geben will. Für ein Jahr sind auf einer Fläche von 4500 Quadratmetern rund 450 zum größten Teil noch nie ausgestellte Exponate aus den Ausgrabungen in der heutigen Türkei zu sehen, ergänzt um zahlreiche Leihgaben aus deutschen und internationalen Sammlungen.
Ausgerechnet die Türkei machte bei der Schau allerdings nicht mit. Grund könnte eine frühere Verstimmung Ankaras wegen der Sphinx von Hattuscha sein, die Deutschland aber inzwischen an die Türkei zurückgegeben hat.
„Wir visualisieren die Forschung, wir visualisieren die Forschungsergebnisse“, sagte Museen-Generaldirektor Michael Eissenhauer vor der offiziellen Eröffnung am Donnerstagabend. Das mächtige Pergamenische Reich erstreckte sich im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. über große Teile der heutigen Türkei. Die Könige bauten ihre Hauptstadt nach dem Vorbild Athens zu einem der bedeutendsten Kulturzentren des Hellenismus aus.
Für die Zeitreise in diese große Epoche wurde im Ehrenhof des Pergamonmuseums ein riesiger temporärer Rundbau errichtet. Im Inneren inszeniert Asisi - beraten von den Wissenschaftlern des Hauses - einen fiktiven Tag im Jahr 129 n. Chr. in dieser Stadt. Auf dem Platz vor der Akropolis versammeln sich die Menschen, am Fluss spült eine Frau ihre Wäsche, aus der Ferne bellt ein Hund und der Blick schweift unendlich über die Hügelketten. Im Zeitraffer vergeht virtuell ein Tag vom Sonnenaufgang bis zur Dämmerung, dazu gibt es atmosphärische Musik vom Filmkomponisten Eric Babak. Das alles erinnert an 3D-Kino.
„Es ist ein Wunder, dass sich ein Museum wie das Pergamonmuseum mit jemandem wie mir einlässt“, sagt der von persischen Eltern abstammende Künstler, der mit seinen 360-Grad-Panoramen in Leipzig und Dresden schon Aufsehen erregt hat. Für das Pergamon-Bild fotografierte er 2010 und 2011 von einem eigens errichteten 30 Meter hohen Turm die Landschaft um die heutige türkische Stadt Bergama, ergänzte die Bilder nach alten Zeichnungen, Ausgrabungsfunden und Rekonstruktionen und erstellte dann am Computer aus mehr als 5000 Einzelaufnahmen das Rundbild.
„Wir haben mit dem Panorama die Möglichkeit, den Betrachter an den Ort des Geschehens zu versetzen. Er wird nach Pergamon gebracht“, sagte der Chef der Antikensammlung, Andreas Scholl. Generaldirektor Eissenhauer sprach von einer „souverän gelungenen Partnerschaft“ zwischen den staatlichen Museen und Asisis Privatunternehmen. Für den Eintritt - nicht gerade billig mit 18 Euro - gibt es eine Kombi-Karte. Wie der Erlös verteilt wird, sagte Eissenhauer nicht. „Für die vertragliche Seite haben wir Stillschweigen vereinbart.“
Die Museumsleute erhoffen sich von dem Panoramabild ein besseres Verständnis für die historischen Zusammenhänge und die teils ebenfalls spektakulären Ausgrabungsstücke in der Ausstellung wie Münzen, Skulpturen, Mosaike und Tongefäße. Viele davon lagerten mehr als 130 Jahre in den Archiven des Museums und wurden für insgesamt 300 000 Euro wieder auf Hochglanz gebracht. Den größten Schatz allerdings hat das Museum immer zu bieten: Der rekonstruierte Pergamon-Altar, der auf dem UNESCO-Welterbe Museumsinsel jährlich mehr als eine Million Besucher anzieht, krönt den Rundgang durch die Ausstellung.