Stadt der Diebe — statt der Liebe
Besonders Touristen sind in Paris leichte Beute für Langfinger. Diese werden immer dreister und immer aggressiver.
Paris. Ein Sommertag in Paris: Eine Gruppe Mädchen stürzt sich auf Touristen: „Bitte unterschreiben“, betteln sie auf Englisch und wedeln mit Blättern — eine Petition für taubstumme Straßenkinder und Waisen. Bestenfalls Abzockerei, meist ein Ablenkungsmanöver, meint Polizeihauptmann Renaud Gauthier vom 9. Pariser Bezirk. Ein Komplize klaut die Brieftasche, während das Opfer mit den Bittstellerinnen beschäftigt ist.
Es ist nur eine von vielen Maschen, mit denen die Banden Touristen — vor allem einkaufsfreudige Besucher aus China — aufs Korn nehmen, sagt Gauthier. „Da drüben, das Mädchen, sie versucht den Ring-Trick.“ Er zeigt auf eine junge Frau, die Touristen einen Ring aufdrängen will: Behauptet, ihn am Boden gefunden zu haben und fordert Finderlohn. Auf der anderen Straßenseite versuchen zwei Jugendliche, Menschen am Geldautomaten abzulenken. Einer drückt dann die Taste „Maximalbetrag“ und ist mit den Banknoten auf und davon.
Etwa 200 000 bis 300 000 Touristen sind jeden Tag in Paris unterwegs. Jahrzehntelang hörte man nur die Warnungen vor Taschendieben in der Métro. Die Diebe werden aber immer dreister: Im April streikte das Personal des weltberühmten Louvre-Museums für einen Tag. Sie protestierten gegen die aggressiven Banden minderjähriger Taschendiebe, die die Heimstätte der Mona Lisa unsicher machen. Durch verbesserte Sicherheitsmaßnahmen ist seitdem die Zahl der Diebstähle stark gesunken.
Aber die Banden suchten sich einfach ein anderes Revier. Sie schlagen immer öfter in den Außenbezirken zu, wo Touristengruppen absteigen. In mindestens zwei Fällen wurden Reisebusse, die zwischen Paris und dem Flughafen Charles de Gaulle im Stau standen, ausgeraubt.
Ist Paris überhaupt noch sicher? „Starker Anstieg von Raubüberfällen auf China-Touristen“, titelte etwa die Hongkonger „South China Morning Post“. Paris werde in Zukunft als „Stadt der Raubüberfälle statt Romantik“ bekannt sein. Angesichts solcher Aussagen klingeln die Alarmglocken der Tourismuswirtschaft. Im Juni berieten sich Polizei, Tourismusindustrie, Hoteliers mit asiatischen Reiseveranstaltern. Sagt euren Kunden, sie sollen nicht so viel Bares in ihren Bauchtaschen mit sich rumschleppen, lautete ein Ratschlag. Die Politik wiegelt indes ab. „Paris ist eine sichere Stadt“, beteuerte Frankreichs Innenminister Manuel Valls noch am vergangenen Freitag.