Kultur oder Tortur? Stierkampf auf Mallorca kehrt zurück
Palma · Nach zwei Jahren ohne „Corrida“ sollen Freitag erstmals wieder Stiere im Coliseo Balear auf Mallorca getötet werden. Sowohl Gegner als auch Befürworter machen mobil. Findet das Spektakel wirklich statt?
An der prächtigen Stierkampfarena von Palma de Mallorca wird fleißig Werbung für ein Event gemacht, dem die Balearenregierung eigentlich für immer „Adiós“ sagen wollte: Eine „Gran Corrida de Toros“ am Freitag (9.8.) wird auf bunten Plakaten angekündigt - ein Stierkampf eben, und dazu noch mit so illustren Akteuren wie dem spanienweit bekannten Torero Morante de la Puebla.
Das Besondere: Zwei Jahre lang durften auf der Urlaubsinsel keine Stiere mehr getötet werden - nun feiert das Spektakel dank der spanischen Justiz sein Comeback. Viele Fragen sind noch offen, aber eine Gewissheit gibt es: Es wird wieder Bullen-Blut fließen.
Schon Tage vor der Corrida haben sich rund 50 Tierschützer vor dem Rathaus von Palma postiert und protestieren mit Spruchbändern und Parolen wie „Das ist keine Kultur, sondern Tortur!“ gegen das Revival der Tauromachie. Was ist passiert? Ende vergangenen Jahres hat das spanische Verfassungsgericht ein balearisches Stierkampfverbot aus dem Jahr 2017 in Teilen gekippt. Die Begründung: Da der Stierkampf 2013 zum nationalen Kulturgut erklärt worden sei, könne nur der Staat über ein komplettes Verbot entscheiden. Die einzelnen Regionen dürfen demnach nicht eigenmächtig solche Beschlüsse fassen.
Nachdem bereits 2016 in Katalonien ein entsprechendes Verbot rückgängig gemacht worden war, sind nun die Kanaren die einzige Region des Landes, in der noch eine Art Stierkampfverbot gilt. Dort gibt es aber auch keine Tradition dieses Spektakels.
Noch ist es fast beschaulich vor dem im Jugendstil erbauten „Coliseo Balear“, das zwischen 1999 und 2013 sechsmal Schauplatz der früheren ZDF-Show „Wetten dass..?“ war und in dem 2016 das Finale von Heidi Klums ProSieben-Show „Germany's Next Topmodel“ ausgerichtet wurde.
In dieser Gegend, in der es von heruntergekommenen 60er-Jahre-Bauten nur so wimmelt, wirkt die eindrucksvolle Arena fast wie ein Ufo. Eine italienische Reisegruppe macht Selfies vor dem Rund, das der Architekt Gaspar Bennàssar vor 90 Jahren fertiggestellt hat. „Auf Stierkämpfe stehe ich nicht so“, sagt einer der Urlauber. „Aber die Arena ist schön.“
Die Faszination für den Stierkampf sei schwer zu verstehen, wenn man nicht damit aufgewachsen sei, erklärt Raul Arenas. Der 33-Jährige berichtet seit Jahren in Online-Medien und im Radio über Stierkämpfe. „Mein Onkel hat mich mit zehn Jahren zu meinem ersten Kampf mitgenommen. Von da an habe ich alles über diese Kunst in mich aufgesogen.“
Insgesamt vier Toreros sollen am Freitag antreten. 50 Euro kosten die günstigsten Karten. Wer in der ersten Reihe sitzen will, zahlt stolze 130 Euro. Für ihn sei die Rückkehr der Stierkämpfe zwar eine große Freude, aber gleichzeitig werde diese durch die von der Justiz auferlegten Beschränkungen getrübt, sagt Arenas. „Deshalb werden wir vor der Corrida eine Demo veranstalten.“
Die Stierkampffreunde sind empört, dass Minderjährige nicht mehr in die Arena dürfen und kein Alkohol mehr ausgeschenkt wird - diese Artikel aus dem balearischen Stierkampfgesetz hatte das Verfassungsgericht für rechtmäßig erklärt. „Diese Regeln machen es den Veranstaltern schwer, wirtschaftlich zu arbeiten“, so der Experte.
Es wird nicht die einzige Protestaktion am Freitag bleiben. Aida Cortecero hat mit ihrer Tierschutzgruppe „I.C.A. Animalista“ ebenfalls zu einer Kundgebung aufgerufen - aber aus anderen Gründen. Mit ihren Mitstreitern kämpft sie energisch gegen das blutige Spektakel. Dass das Verfassungsgericht das balearische Stierkampfgesetz gekippt habe, sei jedoch keine Überraschung gewesen, sagt sie. Aber immerhin hätten die zwei Jahre Pause der Stierkampfbewegung auf Mallorca erheblich geschadet, glaubt die Aktivistin. Die 38-Jährige hofft derweil noch, dass das Event aufgrund technischer Mängel ausfällt.
Am vergangenen Freitag hatten Inspektoren der Stadt die Arena besucht, um die Einrichtung auf die Einhaltung der baulichen Auflagen zu prüfen. Eine Sprecherin der zuständigen Stadträtin für Bauwesen, Neus Truyols, sagte der Deutschen Presse-Agentur, das entsprechende Gutachten solle nun so bald wie möglich erstellt werden. „Gleichzeitig muss das Gesundheitsministerium die medizinischen Auflagen überprüfen, das Agrarministerium den Transport der Tiere. Die finale Entscheidung darüber, ob das Event stattfindet, wird von der ständigen Vertretung der Zentralregierung auf den Balearen getroffen“, betonte die Sprecherin.
Ganz sicher ist es also noch nicht, dass am Freitag nur wenige Kilometer vom Ballermann entfernt wieder Stiere sterben werden. Die Verfechter der „Tauromaquia“ freuen sich hingegen schon auf Morante de la Puebla und Konsorten. „Die Karten verkaufen sich ziemlich gut“, sagt der junge Mann am Tickethäuschen gelassen.