Streit um die „kleinen Riesen“

Wildetaube (dpa) - Selbst eine Gruppe kleiner Kinder darf in Deutschland nicht einfach so heißen wie sie will. Das haben 19 Knirpse eines Kindergartens im Ostthüringer Örtchen Wildetaube erfahren müssen.

„Die kleinen Riesen“ hatten sie und ihre Eltern als Name für sich auserkoren. Doch kürzlich flatterte dem kommunalen Träger deswegen eine Abmahnung aus Baden-Württemberg ins Haus. Bei Zuwiderhandlung droht künftig eine Strafe von 5001 Euro. Außerdem soll die Gemeinde die bisherigen Anwaltskosten von weit mehr als 1000 Euro zahlen. Der Grund: Der Name ist von einem Ehepaar aus Esslingen, das private Kindergärten etwa in München, Stuttgart und Düsseldorf betreibt, seit 2008 als Marke geschützt. Nun ist die Empörung groß.

Die Kinder würden nicht verstehen, warum sie nicht mehr die kleinen Riesen sein dürfen, berichtete Kindergartenleiterin Annette Großmann. „So etwas darf einfach nicht wahr sein.“ Der Fall zieht Kreise bis ins Bundesjustizministerium. Der Landtagsabgeordnete Dirk Bergner (FDP) hat dorthin geschrieben und den Fall als ein „praktisches Beispiel völlig überzogenen Abmahnirrsinns“ geschildert. Denn das Ministerium arbeitet derzeit an einem Gesetzentwurf zum besseren Schutz gegen missbräuchliche Abmahnungen. „Es hat sich eine regelrechte Abmahnindustrie entwickelt, die sich goldene Einnahmen verschafft“, erklärte Bergner. „Das auf dem Rücken von Kindern zu machen, halte ich für absolut unanständig.“

Rechtsanwalt Christoph Ulmschneider kann die Aufregung nicht verstehen. „Ich bekomme seit einiger Zeit beleidigende E-Mails von aufgebrachten Menschen“, erzählte er. Sogar mit Heinrich Himmler, Adolf Hitlers „Reichsführer SS“, sei er schon verglichen worden. Doch seine Mandanten hätten sich mit hohem Aufwand die Marke „Kleine Riesen“ schützen lassen und daher das Recht dafür zu sorgen, dass sie nicht verwässert werde. Er habe solche Unterlassungserklärungen auch schon an andere Kindergärten verschickt. „Die haben ohne mit der Wimper zu zucken unterschrieben.“

Die Kommune sieht sich dennoch im Recht. Denn hier gehe es nicht um den Namen eines Kindergartens - der heißt „Die wilden Tauben“ - sondern nur um den einer einzelnen Gruppe. Davon gibt es in Wildetaube drei: neben den kleinen Riesen noch die Grünschnäbel und die Sternengruppe. „Wir sehen kein Markenrecht verletzt“, betonte Vize-Bürgermeister Jochen Matthes (CDU). Denn der Begriff sei im Geschäftsverkehr - etwa im Briefkopf - und auch im Marketing für den Kindergarten nicht benutzt worden.

Die Unterlassungserklärung aus Baden-Württemberg wurde nicht unterschrieben, eingelenkt hat die Kommune dennoch. Ulmschneider wurde mitgeteilt, dass ab sofort auf die Verwendung des Namens verzichtet werde - um Kosten und Mühen eines weiteren Rechtsstreits zu vermeiden. „Ich denke, die Kinder werden sich auch an einen anderen Namen gewöhnen“, sagte Matthes. Der ist nach Angaben von Kindergartenleiterin Großmann allerdings noch nicht gefunden. Diesmal soll genauer geprüft werden, damit es für die Kleinen nicht wieder eine böse Überraschung gibt.