Studenten lehnen Büchergeld ab

2000 begabte Stipendiaten wollen auf insgesamt 440 000 Euro Zuschuss pro Monat für ihr Studium verzichten.

Schwerte. Verkehrte Welt: Mehr als 2000 Empfänger von Stipendien in Deutschland wehren sich gegen Pläne des Bundes, ihr Büchergeld von 80 Euro auf 300 Euro pro Monat zu erhöhen. Die Hochschüler haben eine Erklärung unterzeichnet, die der studentische Senat des Evangelischen Studienwerks Villigst mit Sitz in Schwerte veröffentlicht hat. Demnach sehen rund 3700 Unterzeichner die Erhöhung als "unverhältnismäßig und den Umständen unangemessen" an, da sie nicht zum Abbau der sozialen Schieflage im Bildungssystem beitrage. Büchergeld erhalten alle Stipendiaten der Begabtenförderungswerke - unabhängig vom Einkommen der Eltern. Der Bundestag soll die Anhebung vor der Sommerpause beschließen.

In Deutschland gibt es aktuell mehr als 20000 Stipendiaten. Unter den Gegnern der geplanten Erhöhung ist die Münsteraner Studentin Eva Friedrich. Die 23-Jährige, von der grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung gefördert, hat viel mit anderen Studenten über die Pläne diskutiert: "Mehr Geld für Bildung ist gut, aber beim Büchergeld wird es an der falschen Stelle investiert."

Die materielle Förderung der Begabtenförderungswerke wird vom Bundesbildungsministerium finanziert und ruht auf zwei Säulen. Zunächst erhalten die Stipendiaten je nach Einkommen der Eltern bis zu 585 Euro im Monat. Die Berechnung erfolgt ähnlich wie beim BAföG. Zudem erhalten alle Stipendiaten Büchergeld, das vom Einkommen der Eltern unabhängig ist. Opposition und Gewerkschaften sehen darin eine "Klientelpolitik" und "Geldgeschenke für die Kinder reicher Eltern" durch die schwarz-gelbe Bundesregierung.

Auch Eva Friedrich sieht hier das größte Problem: "Über die Hälfte aller Stipendiaten bekommt ausschließlich das Büchergeld, weil die Eltern zu viel verdienen", so die Jura-Studentin. Diese Gruppe würde am meisten von der Erhöhung profitieren und habe das Geld dabei am wenigsten nötig. "Viele Kommilitonen schauen mich ungläubig an, wenn ich erzähle, dass ich 300 Euro nur für Bücher bekommen soll."

Doch nicht alle Beteiligten sehen die Anhebung negativ. Die Stipendiaten könnten das Geld gut gebrauchen, sagt Gerhard Teufel, Generalsekretär der Studienstiftung des Deutschen Volkes mit Sitz in Bonn. Schließlich sei das Büchergeld seit 1980 nicht mehr verändert worden.

"Rechnet man 30 Jahre Inflation mit ein, kommt man heute auf mehr als 200 Euro", sagt Teufel. Außerdem sei nicht jeder Stipendiat, der nur Büchergeld bekomme, automatisch reich. Unter den Stipendiaten der Studienstiftung sieht er eine klare Mehrheit von 70 Prozent für die Büchergelderhöhung auf 300 Euro. "Das bedeutet aber auch, dass immerhin ein Drittel auf das Geld verzichten möchte", sagt Teufel.

Die Münsteraner Böll-Stipendiatin Eva Friedrich will die 220Euro extra nicht annehmen. Zusammen mit anderen Stipendiaten überlegt sie, das Geld zu spenden: für Projekte, die Bildungschancen verbessern.