Tatort-Regisseur Dominik Graf: "Man hat bei München so wunderbare Klischees"
Regisseur Dominik Graf erklärt, warum Städte in den „Tatort“-Krimis nicht austauschbar sind — und Identität stiften.
München. Für seine Fernsehkrimis hat der Regisseur Dominik Graf schon viele Preise eingeheimst. Einige seiner Inszenierungen gehören zu den Klassikern des Genres. Einen Unterschied zu den Streifen anderer Regisseure sieht er dabei allerdings nicht. „Wenn ich einen ,Tatort’ mache, habe ich das Gefühl, dass es eine Form von Konfektionsware ist“, sagte Graf. Sein neuer München-„Tatort“ („Aus der Tiefe der Zeit“) mit den beiden Kommissaren Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im „Ersten“.
Herr Graf: Es gibt inzwischen eine Fülle an Krimis im deutschen Fernsehen. Wie versuchen Sie, sich mit Ihren Filmen davon abzuheben?
Dominik Graf: Ich weiß gar nicht, ob ich mich so sehr abheben will. Wenn ich einen „Tatort“ mache, habe ich das Gefühl, dass es eine Form von Konfektionsware ist. Das meine ich gar nicht negativ, sondern das kann auch sehr schön sein, die Erwartungen zu erfüllen und in bestimmten Momenten auch zu brechen.
Ich habe da überhaupt keinen so großen Unterscheidungswillen. Es muss halt ein Buch sein, das einen interessiert. Und Rollen und Figuren, mit denen man etwas anfangen kann, mit denen vor allem die Schauspieler etwas anfangen können. Dann ist es eigentlich immer eine sehr befriedigende Arbeit.
Viele neue „Tatorte“ kommen auf den Markt. Zum Beispiel ist ein Franken-„Tatort“ geplant, in Erfurt gehen neue Ermittler an den Start, bald wird vielleicht noch in Pinneberg gedreht. Was sagen Sie zu der Flut neuer Städte?
Graf: Ich denke, dass die Sache irgendwo ein natürliches Ende haben wird. Aber so lange das noch nicht in Sicht ist, kann sich ja jede mittlere Kreisstadt als Tatort bewerben.
Gelingt das im „Tatort“, eine eigene Identität durch die Stadt zu schaffen?
Graf: Naja, nicht immer natürlich. Wenn es „Tatort“-Filme gibt, in denen kein Dialekt mehr gesprochen werden darf, wenn die Orte und die Büros immer gesichtsloser werden, auch aus finanziellen Gründen, dann ist irgendwann die Stadt nicht mehr vorhanden. Dann wird nur behauptet, dass es in der Stadt spielt.
Eine Behauptung war es bei Schimanskis Duisburg ja aber auch, als wir drei Viertel der Filme nicht in Duisburg, sondern in München gedreht haben. Man sieht: Die Stadt selbst ist gar nicht unbedingt der Punkt, es ist eher die Erfindung ihrer Bedeutung, die man aber auch woanders schaffen kann. Das geht dann, wenn man die Stadt auch als Regisseur und als Kameramann in sich trägt.
Welche Rolle spielt die Stadt München im „Tatort“?
Graf: Man hat bei München so wunderbare Klischees, mit denen man arbeiten kann, und die sind gerade deshalb so wunderbar, weil man sie brechen kann. Der Hinterhof beim Hofbräuhaus etwa ist interessanter als die Fassade. Das war immer ein ganz guter Ratgeber bei den Münchner „Tatorten“. Das fing schon bei Gustl Bayrhammer an: Sich gegen alle Klischees wehren und trotzdem hat der Kommissar einen Dackel. Das ist eine Mischung aus Klischee und einem absolut hochgradig beabsichtigten Nicht-Klischee.
Hätte „Aus der Tiefe der Zeit“ auch in einer anderen Stadt spielen können?
Graf: Die Finger der Vergangenheit in der Gegenwart — das hätte ich in einer x-beliebigen anderen Stadt nicht so erzählen können. Hier wussten Bernd Schwamm und ich genau, worüber wir reden. Das ist eine gute Voraussetzung, wenn man sich in der Stadt nicht nur zu Hause fühlt, sondern auch ein wenig ihre untergründigen Konstellationen kennt.