„Tatort“-Schauspielerin Sabine Postel: „Auf Demos an vorderster Front“

Sabine Postel (59) über den neuen Fall von Inga Lürsen, die Inflation beim „Tatort“ und Starrummel.

Die Schauspieler Oliver Mommsen (r) als Hauptkommissar Stedefreund und Sabine Postel als Haupkommissarin Inga Lürsen

Foto: Carmen Jaspersen

Düsseldorf. Sabine Postel spielt seit 17 Jahren die Bremerhavener „Tatort“-Kommissarin Inga Lürsen. Die neue Folge „Brüder“ (Sonntag, ARD/20.15 Uhr) führt die 59-Jährige in ein undurchsichtiges Milieu: Es geht um die kriminellen Machenschaften eines Familien-Clans.

Frau Postel, was hat Sie an „Brüder“ gereizt?

Sabine Postel: Das Thema, das sehr aktuell ist. Diese Verstrickungen des Clans in die Politik und die Polizei hinein. Das letzte bisschen Moral bleibt auf der Strecke. Ich bin da altmodisch, eine tolle Geschichte, die logisch und gut recherchiert ist, macht einen guten „Tatort“ aus. Wir versuchen ja immer, brisante Themen anzufassen.

Liegen Ihnen solche gesellschaftspolitischen Themen am Herzen?

Postel: Ja, damit haben wir uns in der großen „Tatort“-Landschaft positionieren können: Wir legen den Finger in die Wunde. Schon lange vor Lampedusa haben wir einen „Tatort“ über Boat-People gemacht.

Sie sprechen die große „Tatort“-Landschaft an. Gibt es zu viele Teams?

Postel: Ja, wir müssen aufpassen, dass das nicht zu inflationär wird. Sonst gibt es eine Überflutung wie früher bei den Talkshows. Wenn jetzt jede Kleinstadt ein Ermittlerteam haben will, das dann nur einmal im Jahr auftaucht, leidet langfristig die Bindung zum Zuschauer. Das ist keine gute Tendenz. Der „Tatort“ war immer etwas ganz Besonderes.

Ist es für Sie nach 17 Jahren noch besonders, im „Tatort“ zu spielen?

Postel: Ich sitze sonntags wie die Katze vor dem Mauseloch. Ich bin selbst ein passionierter „Tatort“-Gucker. Wenn der Vorspann läuft, ist es immer noch etwas Besonderes. Ich fühle mich geehrt, dass ich da mitmache, und zwar schon so lange.

Wie viel von Ihnen steckt in Inga Lürsen?

Postel: Ich bin mit der Figur zusammengewachsen. Ich denke, das Gradlinige, das Direkte, gegen das Unrecht der Welt kämpfen, auch mal ins Fettnäpfchen treten.

Gibt es denn ein Thema, das Sie gern noch im „Tatort“ anpacken würden?

Postel: Eine Menge, weil es so viele Schwachstellen in der Gesellschaft gibt. Wir können nicht einen „Wolf of Wallstreet“ machen, aber der ganze Beschiss am Kunden, der in der Bankenwelt passiert — das wäre ein gutes Thema.

Sind Sie ein politischer Mensch?

Postel: Ich habe eine Haltung zu Dingen. Ich bin ein linksliberaler Mensch, war auf Demos an vorderster Front. Wenn man ein Kind hat, will man ja auch, dass die Welt besser wird.

Was bedeutet Ihnen Ihre Familie?

Postel: Familie bedeutet mir alles. Dass ich über Jahrzehnte so normal geblieben bin, hat damit zu tun, dass meine Priorität eigentlich immer woanders lag — was nicht heißt, dass ich nicht meinen Beruf zu 180 Prozent ernst nehme. Ich war immer ein Familienmensch, ich war sehr früh klug genug zu merken, dass die Kollegen, die sich nur auf den Beruf kaprizieren, oft in dunkle Löcher gefallen sind, weil sie sich allein fühlten.

Starrummel ist nichts für Sie?

Postel: Es gehört ab und zu dazu, dass man über den roten Teppich geht. Es ist auch schön, Kollegen zu treffen, aber ich war nie ein Society-Mensch, nur damit man in Gazetten abgebildet war.

Wo ist Ihre Heimat?

Postel: Meine Heimat ist Köln, aber dann kommt direkt Bremen, weil ich da bei Dreharbeiten einen Großteil der letzten 21 Jahre zugebracht habe. An Norddeutschland liebe ich das Unaufdringliche, die Toleranz. An Köln ist angenehm, dass man dort trotz einer gewissen Prominenz nicht behelligt wird. Das ist dem Kölner völlig egal, ein positives Desinteresse.