„TeZukA“: Eine getanzte Japan-Geschichte
Wolfsburg (dpa) - Der Starchoreograf und Tänzer Sidi Larbi Cherkaoui ist für seine kulturübergreifenden Inszenierungen bekannt. In „TeZukA“ lässt der Belgier mit marokkanischen Wurzeln Tanz, Text, Videoanimation, Kalligraphie, Comics und Musik zusammenwachsen.
Die Deutschlandpremiere des Stückes begeisterte am Mittwochabend das Publikum bei den Movimentos Festwochen der VW-Autostadt in Wolfsburg. „Die Arbeit liegt mir sehr am Herzen“, erzählte Cherkaoui nach der zweistündigen Aufführung. Er versteht die Coproduktion mit der Autostadt als Hommage an den 1989 mit 60 Jahren an Krebs gestorbenen Osamu Tezuka, einen der Begründer der japanischen modernen Manga-Kunst.
„Manche glauben, Comics seien nur etwas für Kinder. Ich möchte die Augen öffnen für diese Art von Arbeiten“, sagt Manga-Fan Cherkaoui, der nach eigenem Bekunden schon als Kind Mangas gelesen hat. Der Belgier war bereits mehrfach Gast in Wolfsburg, 2004 wurde er mit dem Movimentos-Tanzpreis ausgezeichnet.
Selbst wem der Name Tezuka nicht geläufig ist, seine Figuren haben Weltruhm und sind vielen bekannt: „Astro Boy“, „Kimba, der weiße Löwe“ oder „Black Jack“ sind Zeichenfiguren von Tezuka. Cherkaoui lässt sie alle in seinem Stück auftreten. Traumatische Ereignisse der japanischen Geschichte wie Hiroshima und Fukushima werden ebenso thematisiert wie gesellschaftliche Entwicklungen, Sex oder Gewalt.
Während der Reaktorkatastrophe probte das eigens für diese Produktion zusammengestellte Ensemble gerade in Japan. Manchmal geradezu depressiv, manchmal melancholisch und dann wieder voller Hoffnung erzählt der Choreograf in einzelnen Sequenzen von Japan. „Die Realität Japans und die Comics von Tezuka - irgendwie ist das alles verschmolzen“, beschreibt Cherkaoui sein Werk.
Den Zuschauern wird dabei einiges abverlangt, das Geschehen auf der Bühne überschlägt sich bisweilen: Längere Texte werden in schnellem Tempo mal auf Englisch, mal auf Französisch gesprochen. Die deutsche Übersetzung ist auf mehreren Monitoren zu lesen. Auf einer Bühnenseite verfasst ein Darsteller Kalligraphien, die parallel auf einer Leinwand erscheinen. Riesige Bücherseiten mit Comics werden projektiert und scheinen beim Umblättern die Ensemblemitglieder zu erdrücken. Dann wieder bekämpfen sich zwei Krieger, lieben sich zwei Männer oder eine Tänzerin bemalt sich mit Tinte.
Im nächsten Moment rollen sich mehrere Papierbahnen von der Decke, zwischen denen sich die Tänzer mal nach harten Trommelschlägen, mal nach Geigenklängen bewegen. Die Tänzer aus acht Nationen zeigen dabei viele Facetten des modernen Tanzes, scheinen alle Möglichkeiten des Körpers auszuspielen. Langweilig wird es in den zwei Stunden nicht.
Die Aufführung war Teil der Movimentos-Festwochen, die zum zehnten Mal von der VW-Autostadt organisiert werden. Bis zum 20. Mai stehen neben Tanz auch Jazz- und Klassikkonzerte sowie Lesungen auf dem Programm. Einer der Höhepunkte sind zwei Konzerte der Rocklegende Peter Gabriel.