Tierischer Kommissar: Weiß der Geier, wo die Leiche liegt?

Die Vögel sollen den Ermittlern bei der Suche nach Toten in unwegsamem Gelände helfen.

Hannover/Karlsruhe. "Kommissar Krummschnabel" - so könnte die gefiederte Antwort auf TV-Polizei-Hund "Kommissar Rex" lauten. Die Polizei bildet derzeit Truthahngeier für die Suche nach Leichen aus. Denn wo sie in der Luft kreisen, gibt es Tote - so zumindest ist es in Western-Filmen.

Rainer Hermann vom Landeskriminalamt Niedersachsen leitet ein weltweit einzigartiges Projekt im Weltvogelpark Walsrode. Er glaubt: "Der Geier weiß, wo die Leiche liegt." Denn die in Amerika von Südkanada bis Feuerland heimischen Truthahngeier können im Gegensatz zu europäischen oder afrikanischen Geiern extrem gut riechen und selbst Mäuse-Kadaver aus Entfernun- gen von 1000 Metern erschnüffeln. "Die Vögel sind in der Lage, aus der Luft sehr viel größere Gebiete abzusuchen als Leichenspürhunde und Menschen am Boden", sagt Hermann.

Einer der Hoffnungsträger der Kriminalpolizei heißt Sherlock, ist 1,20 Meter groß, hat einen roten Kopf und schwarzes Gefieder. Im Vogelpark Walsrode beweist er bereits sein Können. Dort spürt er Stücke von Leichentüchern auf, die von der Polizei zur Verfügung gestellt und von Tiertrainer German Alonso in Löchern im Boden versteckt werden.

Sherlock alleine in einen echten Einsatz loszuschicken, ist allerdings nicht möglich. Denn ein einzelner Geier ist eher ein "Angsthase". Ornithologen zufolge sind die kahlköpfigen und nur etwa zwei Kilo schweren Truthahngeier in kleinen Gruppen sehr viel mutiger. Hermann holte deshalb zwei der seltenen Truthahngeierküken aus Österreich, die in Alonsos Ausbildung kommen und wie Sherlock nach großen Vorbildern aus Literatur und Film benannt werden sollen. "An Miss Marple oder Columbo habe ich unter anderem gedacht", sagt Hermann.

Dass das Pilotprojekt eine Bruchlandung erlebt, weil Geier im Einsatz womöglich bei jeder toten Maus landen, ist nicht unbedingt zu erwarten. Die Vögel können nach Angaben der amerikanischen Truthahngeier-Gesellschaft Turkey Vulture Society den Gestank von Raubtier- und Pflanzenfresser-Kadavern unterscheiden.

Für den womöglich arttypischen Verwesungsgeruch ist unter anderem ein Mercaptan genanntes Gas verantwortlich, das bei der Zersetzung von Eiweiß entsteht und auch in Rohöl, dem Drüsensekret von Stinktieren und in Käse vorkommt. Gut möglich, dass Hermanns künftige Flugstaffel ähnlich wie Spürhunde auf den spezifischen Geruch menschlicher Überreste trainiert werden kann.

Es bleibt zu hoffen, dass sie im Einsatz nicht schnurstracks über dem nächsten Leichenschauhaus oder Friedhof kreisen, wie einige von Hermanns Kollegen unken, sondern mit einem GPS-Sender versehen ihre menschlichen Kollegen schnell und präzise zu den Leichen vermisster Menschen führen.

Die Vögel würden damit auch das eigene Image aufpolieren. Noch immer gilt, was der Naturforscher Alfred Brehm 1822 feststellte: "Das schmutzige Handwerk, welches die Geier betreiben, hat Vorurteile erzeugt."