Tödliche Bobbahn-Fahrt: Verletzte lagen über eine Stunde im Eiskanal

Es sollte wohl ein nächtlicher Spaß werden: Drei junge Männer rasen mit Kinderschlitten die Weltcup-Bobbahn in Winterberg runter. Einer von ihnen überlebt nicht. Was bleibt, ist die Frage nach dem Warum.

Gegen diesen im Eiskanal abgestellten Traktor prallten die drei Männer am frühen Samstagmorgen.

Foto: Freiwillige Feuerwehr Winterberg/J.Vogelsang/dpa

Winterberg (dpa). Im Schnee neben der Bobbahn in Winterberg liegen Grablichter und rote Rosen. Sie erinnern an den tödlichen Leichtsinn, bei dem in der Nacht zum Samstag ein 25-Jähriger ums Leben kommt und seine beiden Freunde schwer verletzt werden. Mit Plastik-Kinderschlitten fahren die drei jungen Männer wohl aus einer Laune heraus den Eiskanal herunter, der zu den schnellsten der Welt zählt. Im Zieleinlauf prallen sie auf einen Mini-Traktor, der zum Aufbereiten der Eisfläche genutzt wird. Für den 25-Jährigen kommt jede Hilfe zu spät.

Nach dem Unfall haben die Verletzten wohl mehr als eine Stunde im Eiskanal gelegen, bevor Hilfe kam. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft in Arnsberg am Montag. Erst nach mehr als einer Stunde hörte ein Nachbar der Wintersportanlage im Sauerland Hilferufe und alarmierte die Polizei.

Der Eiskanal hat nichts gemeinsam mit einem einfachen Hang zum Schlittenfahren. Selbst erfahrenen Bobpiloten flößt er ordentlich Respekt ein. Profi-Fahrer erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 140 Kilometern pro Stunde. Was die drei 25, 26 und 29 Jahre alten Männer zu der Fahrt mit einfachen Plastik-Schlitten veranlasst, ist auch am Sonntag für die Ermittler noch nicht ganz klar.

Nach ersten Erkenntnissen: Leichtsinn. „Betrunken waren sie offenbar nicht“, sagt Oberstaatsanwalt Werner Wolff am Sonntag. Mit einem vierten Freund seien die Männer aus dem westfälischen Hamm angereist, um sich ein wenig im Schnee zu vergnügen. „Sie sind mit ihren Schlitten wohl erst auf anderen Hängen gefahren und dann auf die Idee gekommen, in den Eiskanal zu gehen.“ Selbst ohne Hindernis auf der Bahn wäre es „brandgefährlich, mit Plastikschalen da runterzurutschen“, warnt Wolff.

Der Vierte steigt in diesem Moment nach ersten Erkenntnissen aus. Während seine Freunde über einen Zaun auf die stockdunkle Bahn klettern, fährt er mit dem Auto ins Tal.

Auf der Bobbahn geht wenige Stunden nach dem Unfall schon wieder der Profi-Betrieb weiter. Es ist Hochsaison im Wintersport - auf der Bobbahn standen die Deutschen Meisterschaften der Skeleton-Fahrer an. Doch bei den Teams herrsche große Betroffenheit, sagt Organisationsleiter Alois Schnorbus. „Für die Sportler ist es natürlich ein komisches Gefühl, an der Todesstelle vorbeizufahren“, meint er. In der Teamsitzung sei es allen Fahrern freigestellt worden, ob sie fahren wollen oder nicht.

In den vergangenen Jahren ist die Bahn mehr und mehr auch für Touristen geöffnet worden, die sich im Taxibob durch die Eisröhre fahren lassen. Der Nervenkitzel bei den Touristen-Fahrten, die immerhin fast auf Tempo 130 kommen, ist enorm - und am Steuer sitzt immer ein erfahrener Bobsportler. Alles andere wäre zu gefährlich. Doch auch bei einer ähnlichen Fahrt mit einem Taxibob war es 2001 schon einmal zu einem tödlichen Unfall bekommen, weil ein Bauteil an der Bahn fehlerhaft montiert war.

Auch am Sonntag haben Besucher die Gelegenheit, durch den Eiskanal zu rauschen. Trotz des Unglücks kurz zuvor nutzen einige Gäste diese Möglichkeit. Ihr Tenor: „Wer mit einem Kinderschlitten in die Bahn geht, ist selber schuld.“

Wie schnell die drei jungen Männer unterwegs waren, ist für die Polizei noch unklar. 70 Kilometer pro Stunde könnten es gewesen sein, schätzt ein Ermittler. Schorbus, der früher selbst als Profi-Bobfahrer Eiskanäle heruntergerast ist, kann nur den Kopf schütteln. „So eine Bobbahn herunterzufahren, ist für Laien immer lebensgefährlich.“