Neuburg an der Donau Trubel um Tomaten - Streit um Gemüse als Grabschmuck

Eine junge Frau hat auf dem Grab von Oma und Opa Tomaten angepflanzt - weil diese das Gemüse gerne mochten. Der Friedhofsreferentin im oberbayerischen Neuburg an der Donau gefällt das gar nicht.

Die Tomatenpflanzen auf dem Grab erhitzen die Gemüter im oberbayerischen Neuburg.

Foto: Andreas Gebert

Neuburg an der Donau (dpa) - Tomaten als Politikum: Eine junge Frau hat auf dem Grab ihrer Großeltern in Oberbayern Tomaten angepflanzt und eine hitzige Debatte ausgelöst. Den Zorn von Friedhofsreferentin Elfriede Müller (CSU) hat sie bereits auf sich gezogen. Möglicherweise muss sich demnächst auch der Stadtrat in Neuburg an der Donau mit dem Kuriosum beschäftigen.

Als sie die Gemüsepflanzen auf dem Friedhof im Stadtzentrum entdeckte, traute die CSU-Stadträtin Müller ihren Augen nicht. „Ein Friedhof ist doch kein Schrebergarten“, schimpft sie. Doch damit werde bald Schluss sein, ist sie sicher. Sie bereite einen Antrag vor, mit dem jeglicher Anbau von Gemüse auf den beiden städtischen Friedhöfen untersagt werden soll. „Dann ist das Problem vom Tisch.“

Für die Stadtverwaltung stellt das schmackhafte Nachtschattengewächs, das üppig auf dem Grab wuchert und das Holzkreuz als Kletterhilfe nutzt, allerdings gar kein Problem dar. „Die Friedhofsreferentin hat erst eines daraus gemacht“, sagt Stadtsprecher Bernhard Mahler am Donnerstag. Ihm ist es wichtig zu betonen, dass die Stadtverwaltung „eine ganz andere Auffassung in der Sache“ habe.

Die Frau habe das Gemüse im Frühsommer auf der letzten Ruhestätte ihrer Großeltern angepflanzt, wohl weil diese Tomaten so gerne mochten. „Es war alles friedlich. Wir haben uns nicht an den Tomaten gestört“, sagt Mahler. Die Familie sei lediglich darum gebeten worden, die Pflanzen etwas zurückzuschneiden. Das habe sie auch getan. Sorge, dass bald auch andere Grabbesitzer auf die Idee kommen könnten, auf dem Friedhof Gemüse anzubauen, hat der Stadtsprecher nicht. Es handle sich um einen absoluten Einzelfall.

Friedhofsreferentin Müller ist sich da nicht so sicher: „Der nächste baut dann Radieschen an.“ Und nach der Ernte werde das Gemüse weggeworfen. „Denn wer bitteschön, isst schon Gemüse, das auf einem Grab gewachsen ist?“, fragt sie. „Ich kenne jedenfalls niemanden, der so etwas tun würde.“

Seit 20 Jahren ist Müller ehrenamtliche Friedhofsreferentin. Aber so ein Fall sei ihr noch nicht untergekommen. Gegen Trends habe sie nichts, sagt sie. Sie habe moderne Bestattungsformen vorangetrieben. So könnten Tote in Neuburg jetzt auch unter alten Eichenbäumen ihre letzte Ruhe finden. „Aber Gemüseanbau - wirklich nicht!“

Juliane Thimet, stellvertretende Geschäftsführerin des Bayerischen Gemeindetags bezeichnet den Streit als „Kommunalpolitik vom Feinsten“. Was auf den ersten Blick kurios klinge, habe einen ernsten Hintergrund: Die Verwaltung müsse einschätzen, ob es wohl bei dem Einzelfall bleibt. „Oder muss man sagen: Wehret den Anfängen? Ist es pietätlos? Dann müsste man es regeln, weil es vielleicht Anstoß erregen kann. Der Nächste will dann vielleicht Kürbisse anbauen.“ Andererseits wolle man die Menschen auch nicht „gängeln“. Jeder habe das Recht auf seinen eigenen Zugang zur Trauer.

Grundsätzlich ist es Aufgabe der Gemeinden, Regeln zur Gestaltung und Bepflanzung von Gräbern zu erlassen. In einer Muster-Friedhofssatzung des Gemeindetags etwa steht: Es sollen nur „geeignete Gewächse“ benutzt werden, die benachbarte Gräber nicht beeinträchtigen und die dem „besonderen Charakter des Friedhofs“ angemessen sind. Auch Bäume müssen genehmigt werden. Von einem ähnlichen Fall wie in Neuburg habe sie noch nie gehört, sagt Thimet: „Dass jemand ein Grab als Gemüsegarten verwendet, kommt nicht so häufig vor.“

Vor vier Jahren sorgte der letzte Wunsch eines kleinen Fußballfans für Aufregung: Der krebskranke Junge aus Dortmund hatte sich kurz vor seinem Tod einen Grabstein mit Fußball und Borussia-Dortmund-Emblem gewünscht. Die Kirche stellte sich zunächst quer. Nach monatelangem Ringen kam ein Kompromiss zustande: Ein Ball mit BVB-Symbolen durfte auf dem Boden montiert werden.

CSU-Stadträtin Müller will im Fall der Neuburger Tomaten jedoch hart bleiben. Ihren Antrag zum Verbot des Gemüseanbaus auf den städtischen Friedhöfen will sie in den nächsten Tagen im Rathaus einreichen. Im Stadtrat hat ihre Partei die Mehrheit. Allerdings kann sie wohl nicht auf Unterstützung von Parteifreund und Oberbürgermeister Bernhard Gmehling hoffen. „Der OB sieht aktuell in der Sache keinen Handlungsbedarf“, betont der Stadtsprecher.