Urnengang: Auch Blinde können allein in die Wahlkabine

Gelochte Papp-Schablonen helfen Sehbehinderten bei der Abgabe ihrer Stimme.

Düsseldorf. In die Wahlkabine geht der Wähler für gewöhnlich allein - doch Blinde und Sehbehinderte mussten bis 2002 immer einen vertrauten Assistenten mitnehmen, der den Stimmzettel ausfüllt. Seit der Bundestagswahl 2002 und der Europawahl 2004 können Blinde mit Hilfe einer Stimmzettelschablone eigenständig wählen.

"Früher stand ich mit meiner Frau in der Kabine und nannte ihr die Partei, die ich wählen wollte, worauf sie erschrocken ausrief ,Was?’ - da haben sich alle anderen gewundert", erinnert sich Johannes Willenberg vom Blinden- und Sehbehindertenverband Westfalen in Dortmund, der selbst erblindet ist.

Wer mit Stimmzettel-Schablone wählen möchte, kann diese beim Landesverein des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband anfordern. Dort gibt es ein kostenloses Wahlhilfepaket, das neben der Papp-Schablone auch eine Audio-CD enthält.

Die Papp-Schablone wird in der Mitte gefaltet; dort kann man den Stimmzettel passgenau einlegen. "Wie bei einer Klappmappe sind oben und rechts Papierlaschen, so dass der Stimmzettel genau in der Schablone liegt", erklärt Willenberg.

Die Schablone ist an der oberen rechten Ecke abgeschnitten, sodass bei dieser Falttechnik der sehbehinderte Wähler ein Loch im Stimmzettel fühlen kann - "dann liegt der Stimmzettel genau richtig".

Dort, wo die Kreise für die Kreuzchen sind, hat die Stimmzettelschablone jeweils ein Loch, "das man gut fühlen kann, weil die Pappe dick ist", sagt Willenbrink. Jedes Loch ist durchnummeriert - jeweils in Blindenschrift und in geprägter Normalschrift.

"Viele Blinde können die Schrift, die aus Zeichen mit bis zu acht Punkten besteht, nicht lesen." Die Nummerierung muss sich der sehbehinderte Wähler vorher zu Hause auf der Erklär-CD anhören. "Zum ersten Mal liest in diesem Jahr eine Computerstimme auf der CD den Stimmzettel vor", sagt Willenberg, der für die CD zur Europawahl 2004 selbst im Studio stand und den Zahlencode vorgelesen hat.

"Federführend bei dieser Technik war der NRW-Verband in Meerbusch." Der Wähler muss sich nur die Nummer seiner Wunsch-Partei merken, die Löcher von oben beginnend zählen und dieses Loch in der Wahlkabine ankreuzen.

Auch wenn gerade Blinde die Briefwahl zu Hause bevorzugen - einer eigenständigen Wahl in der Kabine, ganz ohne fremde Mithilfe, steht nun nichts mehr im Wege.