Vergewaltigungsprozess in Indien: Verdächtiger tot
Neu Delhi (dpa) - Der mutmaßliche Drahtzieher der tödlichen Vergewaltigung einer jungen Inderin ist tot in seiner Gefängniszelle aufgefunden worden. Ram Singh habe sich am frühen Montagmorgen mit einer Bettdecke im Hochsicherheitsgefängnis Tihar erhängt.
Das sagte Gefängnissprecher Sunil Gupta in Neu Delhi. Der Anwalt und die Familie des Toten sprachen hingegen von Mord. Die Todesursache soll durch eine richterliche Untersuchung des Vorfalls und eine Obduktion ermittelt werden.
Der 35-Jährige stand mit fünf weiteren Angeklagten vor Gericht. Ram Singh soll der Fahrer des Busses gewesen sein, in dem die 23-Jährige Mitte Dezember entführt, vergewaltigt und mit einer Eisenstange gefoltert wurde. Die junge Frau starb zwei Wochen später an ihren inneren Verletzungen. Nach Polizeiangaben ist Singh der Hauptverdächtige, da er die Idee zur Tat gehabt haben soll.
Im Gefängnis war Singh nach offiziellen Angaben mit drei weiteren Insassen untergebracht, die nicht wegen des gleichen Verbrechens angeklagt werden. Es gebe in den Zellen keine Überwachungskameras, sondern Sicherheitsbeamte liefen regelmäßig Runden, sagte der Gefängissprecher. Es habe große Sicherheitslücken gegeben, gestand Innenminister Sushil Kumar Shinde ein.
„Das war eine durchgeplante Verschwörung“, sagte hingegen Singhs Anwalt V. K. Anand. Nichts habe darauf hingedeutet, dass sich sein Mandant habe umbringen wollen. Der Vater das Toten forderte, der Vorfall solle als Mord untersucht werden. „Ich habe ihn im Gerichtssaal getroffen und er erzählte mir, dass er von anderen Insassen vergewaltigt und geschlagen wird“, sagte er. Auch habe sein Sohn nach einem Unfall eine schwere Verletzung an der Hand gehabt und die Tat deswegen so nicht durchführen können.
Der Bruder der getöteten Studentin hält den Selbstmord für möglich. „Er wusste, dass er sowieso sterben wird, weil wir so eine starke Klage gegen ihn hatten“, sagte er der Zeitung „Times of India“.
Die Verteidiger der Angeklagten hatten vor Gericht mehrfach erklärt, ihre Klienten würden im Gefängnis von anderen Insassen auf Geheiß der Polizei gefoltert und vergewaltigt. Sie baten um bessere Sicherheitsvorkehrungen und tägliche Gesundheitsuntersuchungen. Am Montag fragten sie, wie ein solcher Vorfall im modernsten Gefängnis Indiens passieren konnte. „Ist die Sicherheit dort so schlecht?“, fragte A. P. Singh, der zwei der mutmaßlichen Täter vertritt.
Die volljährigen Angeklagten müssen sich seit Januar vor Gericht verantworten, ihnen droht die Todesstrafe wegen Mordes. Derzeit läuft das Verfahren vor einem Schnellgericht, das fast täglich tagt. Bislang wurden laut Verteidiger A. P. Singh 45 der 90 Zeugen gehört. Auch am Montag war eine Anhörung, bei der die Angeklagten laut ihren Anwälten um mehr Sicherheit baten. Sie hätten Angst, ins Gefängnis zurückzukehren, sagte Anwalt Singh. Ein sechster mutmaßlicher Täter steht vor einem Jugendgericht, ihm drohen maximal drei Jahre Jugendarrest.
Die brutale Tat hatte in Indien eine Welle der Entrüstung ausgelöst. Es begann eine breite Diskussion über die Sicherheit von Frauen in der Öffentlichkeit und Rollenbilder in der indischen Gesellschaft. Auch im Ausland fanden der Fall und die zahlreichen Proteste in den Wochen danach Beachtung. Nach der Tat wurden zahlreiche Maßnahmen verabschiedet wie spezielle Notrufnummern für Frauen, mehr Polizeikontrollen auf den Straßen und eine zentrale Datenbank für alle verurteilten Vergewaltiger.