Vor 100 Jahren erschien das erste Kreuzworträtsel
In New York zerbrachen sich Zeitungsleser erstmals den Kopf über 31 Fragen und 73 Kästchen.
New York. Ein Fluss in Russland, ein Vogel, ein Teil des Kopfes und etwas, dass an der Küste gefunden werden kann: All diese Begriffe mussten herausgefunden werden, um das erste Kreuzworträtsel der Welt zu lösen. Rautenförmig und mit insgesamt 31 Fragen erschien es heute vor 100 Jahren in der inzwischen längst eingestellten Zeitung „New York World“.
Der britische Journalist Arthur Wynne hatte es sich für die Weihnachtsbeilage der Zeitung ausgedacht — und löste damit eine wahre Rätselmanie aus. Noch heute, ein Jahrhundert später, knobeln, rätseln und raten sich Fans weltweit durch die Kästchen.
Rätseln sei ein „Stück der Definition Mensch“, sagt Stefan Heine (kl. Foto), Rätselmacher und -forscher aus Hamburg. „Es geht darum, etwas auszufüllen, komplett fertigzumachen, sich selbst zu messen — wenn man es gelöst hat, ist es einfach ein schönes Gefühl. Aber was noch entscheidender ist, ist dieses Abtauchen, man konzentriert sich voll und nimmt sich für einen Moment aus der Welt und aus der Zeit.“ Rätselfans kämen aus allen Altersgruppen und Schichten. „Man stellt sich ja die Omi vor, die so am Fenster sitzt und Rätsel löst, aber es lösen natürlich auch junge Leute Rätsel.“
Bis der Trend aus den USA, wo heute das Kreuzworträtsel der „New York Times“ als Maß aller Dinge gilt, nach Deutschland kam, dauerte es allerdings noch eine Weile. 1925 soll das erste in der „Berliner Illustrierten“ erschienen sein, glauben Experten. Wann genau, ist umstritten. Rätselmacher Heine hat jüngst eines vom 28. Februar gefunden — nach seiner Meinung das älteste entdeckte deutsche Kreuzworträtsel. „Das war schon sehr professionell.“ Eine Blume, ein Stern im Orion und ein deutscher Fluss wurden da gesucht.
Ganz langsam breitete sich der gehirntrainierende Rätsel-Trend dann aus. „Eine Manie wie in New York kann man für Deutschland nicht belegen.“ Bis heute gibt es in Deutschland übrigens hauptsächlich sogenannte Schwedenrätsel — also solche, wo die Frage im Kästchen steht — und in den USA richtige Kreuzworträtsel, wo in den Kästchen Nummern stehen, die auf die dazugehörigen Fragen unter dem Rätsel verweisen.
So ganz einfach auszufüllen sind die älteren Rätsel heute nicht mehr, denn mit dem Kanon der Allgemeinbildung veränderten sich auch die Kreuzwörter. „Wenn zum Beispiel Lena einen Grand Prix gewinnt, dann kommt die natürlich dazu“, erzählt Heine. „Was immer mehr wegfällt, sind diese alten Griechen und so Sachen. Es gibt auch Worte, die einfacher werden. „Tsunami“ kannte vor dem Jahr 2004 niemand, da musste man dann die Schwierigkeit herabsetzen.“
Das Knifflige für den Rätselmacher besteht darin, Aufgaben zu finden, die sowohl für die Großmutter als auch für den Teenie lösbar sind. Erstere kennt meist den letzten Gewinner von „DSDS“ nicht, der Jugendliche von heute weiß hingegen oft nicht mehr, wer Hans Rosenthal oder Hans-Joachim Kulenkampff waren.