Waldschlößchenbrücke: Freie Fahrt über Dresdens kühnen Bogen
Jahrelang wurde erbittert über die Waldschlößchenbrücke im Elbtal gestritten. Nun ist sie fertig — aber der Unesco-Titel weg.
Dresden. Geliebt und gehasst: Als hellgraues Betonband spannt sich die jüngste Dresdner Elbbrücke über Fluss und Uferauen — an der breitesten Stelle. Kühler Stahl formt sich über dem Wasser zu einem kühnen Bogen. Nur die massiven Fundamente zeugen von tonnenschwerer Last.
Noch sind die vier Spuren auf dem Asphalt verwaist. Aber ab Montag rollen die ersten Autos über die Waldschlößchenbrücke, durch die das Dresdner Elbtal 2009 den Unesco-Welterbetitel verlor. Zuvor feiert die Stadt das Bauwerk — 70 000 Besucher sollen das Bauwerk heute und morgen in eine Partymeile verwenden. Sehr zur Enttäuschung der Brückengegner.
Mit dem Wachsen des Corpus Delicti schwanden nicht nur die öffentliche Proteste, sondern auch Widerstände. „Ist gar nicht so schlimm, sieht doch ganz gut aus“, überwiegt bei spontanen Beurteilungen. Das deckt sich mit Umfragen des Instituts für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden, die von einer gewachsenen Zustimmung in der Bevölkerung zeugen — von 67,9 Prozent bei dem entscheidenden Bürgervotum 2005 auf 80 Prozent im Oktober 2012.
Der Streit um das größte Bauprojekt hatte wegen der Blamage bei der Unesco tiefe Gräben in der Stadt gerissen. Deren „Sturheit“, die zur ersten Titelaberkennung für eine Kulturerbestätte geführt hatte, wurde nicht nur im Inland kritisiert. Die Welterbehüter sehen die einzigartige Flusslandschaft irreversibel geschädigt. Letztlich besänftigte auch eine filigranere Konstruktion nicht.
Massenproteste, Sitzblockaden, Anschläge auf und Besetzungen von Baugeräten machten bundesweit Schlagzeilen. Zum Symbol des Widerstands wurde eine 200 Jahre alte Rotbuche, die Natur- und Umweltschützer tagelang vor der Säge bewahrten - bis die im Geäst angeketteten Aktivisten von der Polizei heruntergeholt und der Baum gefällt wurden.
Auch Baustoppanträge in Parlamenten und Klagen bei Gericht scheiterten. Zuletzt hatte das Sächsische Oberverwaltungsgericht Ende 2011 die Berufung dreier Naturschutzverbände abgewiesen. Sie sehen den Lebensraum von Tieren und Pflanzen beeinträchtigt. Revision beim Bundesverwaltungsgericht wurde eingereicht. Aber eigentlich glaubt niemand, dass das Bauwerk zugunsten eines Tunnels abgerissen wird.
Alle Auflagen zum Naturschutz wurden erfüllt, sagt Stadtentwicklungsbürgermeister Jörn Marx (CDU). Immerhin sei an dem Standort schon vor über 100 Jahren eine Brücke geplant gewesen. „Und jetzt haben wir sie gebaut.“ Die Stadt hofft auf Entlastung vor allem der anderen Elbbrücken und der Nebenstraßen.