Vom Wein zum Kapital Warum Wein für Karl Marx eine große Rolle spielte
Trier (dpa) - Maximin von Schubert steht auf dem einstigen Kapital von Karl Marx. Es ist wahrhaft historischer Boden. Ein Weinberg, den die Familie Marx fast 30 Jahre lang besessen hat: Rund ein Hektar im Maximin Grünhaus Herrenberg in Mertesdorf bei Trier in Rheinland-Pfalz.
„Über 5000 Liter im Jahr haben die Marxens hier schon gemacht“, sagt von Schubert, dessen Vorfahren das Schlossgut Maximin Grünhaus 1882 gekauft haben.
Der Vater von Karl Marx, der Trierer Rechtsanwalt Heinrich Marx, hatte die Rebstöcke in guter Südwestlage als Geldanlage erworben. „Es war damals schick, als höherer Bürger einen Weinberg zu haben“, meint von Schubert (35). Nach dem Tod des Vaters (1838) wurde Karl Marx kurzfristig selbst zum Weinbergbesitzer, bevor ihn seine Mutter für seinen Teil auszahlte. Und als die Mutter starb, verkaufte Marx die letzten fünf Fuder mit je 1000 Litern, die im Keller des Trierer Wohnhauses lagerten.
Wein hat im Leben des in Trier geborenen Philosophen Marx, dessen Geburtstag sich am 5. Mai zum 200. Mal jährt, eine große Rolle gespielt. Nicht nur, weil er ihn selbst gerne trank. „Der Wein hat Marx letztlich zum Kommunisten gemacht“, sagt Buchautor Jens Baumeister. Denn unter anderem über den elterlichen Weinbergsbesitz sei Marx auf die Weinbaukrise gestoßen, die die Mosel vor allem in den 1830er und 1840er Jahren erschütterte - und habe sich erstmals mit wirtschaftlichen Fragen auseinander gesetzt.
Nach seinem Philosophie-Studium in Berlin verfasste der junge Marx als Redakteur der „Rheinischen Zeitung“ in Köln eine Artikelserie über notleidende Moselwinzer: Er habe den Verwaltungsnotstand, hohe Steuern und Zölle kritisiert und über die Verarmung einer ganzen Region geschrieben, sagt Baumeister (49), der zu dem Thema ein Buch („Wie der Wein Karl Marx zum Kommunisten machte“) herausgebracht hat.
Marx selbst notierte 1859 im Vorwort seines Werks „Zur Kritik der politischen Ökonomie“: Die Zustände der Moselwinzer „... gaben die ersten Anlässe zu meiner Beschäftigung mit ökonomischen Fragen“. Und nach späteren Worten seines Freundes Friedrich Engels war es die Lage der Moselbauern, die Marx „von der bloßen Politik auf ökonomische Verhältnisse verwiesen“ habe und dieser so zum Sozialismus gekommen sei.
Nach seiner Zeit bei der „Rheinischen Zeitung“ weitete Marx seinen Blick - zur Makroökonomie: „Er hat dann schnell die Notwendigkeit gesehen, die großen Zusammenhänge zu verstehen“, sagt Baumeister. Marx ging nach Paris, dann nach Brüssel und schließlich London, wo er seine weltberühmten Theorien zu Sozialismus und Kommunismus weiterentwickelte, die bis heute kontrovers diskutiert werden.
Dem Wein blieb er sein Leben lang treu. Auch jenem vom eigenen Weinberg der Familie. Immer wieder schrieb er über die Qualität der Jahrgänge, sagt von Schubert zwischen den Reben, dessen Weingut heute 34 Hektar umfasst. Marx ließ sich auch in der Ferne beliefern: „Es gab so eine Art Care-Paket, das Karl Marx von seinem Vater Heinrich bekommen hatte, mit eigenem Wein“, erzählt Kunsthistoriker und Archäologe Baumeister, der Stadtführer in Trier ist. Zudem sei bekannt, dass es immer wieder Weinlieferungen von Engels an Marx gegeben hat. „Engels war derjenige, der sich guten Wein leisten konnte und auch ein Kenner.“
Die Berührung mit dem Thema Wein begann bei Karl Marx früh. Er ging in eine Schule, die sich damals über Einkünfte eines großen Weinguts finanzierte. Seine Abitur-Prüfung in Religion schrieb Marx über das Gleichnis vom Weinstock. Und seine Geburtsurkunde hatte der Großwinzer und damalige stellvertretender Bürgermeister von Trier, Emmerich Grach unterzeichnet - dessen Ururururenkel Günther Jauch heißt und heute ein Weingut an der Saar betreibt.