Weihnachtspredigt: Alle Jahre wieder...

Sie soll immer neu sein, die Gläubigen ansprechen und authentisch sein. Doch woher kommt die Inspiration? Mancher muss nur das Elend auf der Straße sehen, bei anderen wird es maritim und einige haben Lampenfieber.

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Düsseldorf/Hamburg. Langeweile vor der Weihnachtspredigt, keine zündende Idee für Heiligabend? Im Gegenteil — für Pastoren wie den an der Marineschule Mürwik in Flensburg tätigen Ernst Raunig ist die Weihnachtspredigt immer noch „eine absolute Freude“.

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Die lässt er sich auch von der oft gar nicht stillen Vorweihnachtszeit nicht nehmen. „Wenn Weihnachten nur Stress bedeutet, Termin auf Termin, dann kommt das rüber. Wichtig ist die authentische Verkündung. Ich kann Stille Nacht nur singen, wenn ich die Stille empfinde. Wenn ich die Stille nicht gefunden habe, geht das nicht.“

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Aufgeregt ist er trotzdem noch: „Ich finde, dass Lampenfieber dazugehört.“ Raunig, der auch in einer zivilen Gemeinde predigt, will seine Themen so vermitteln, dass alle sie verstehen. Dabei stört er sich nicht an jenen, die nur einmal im Jahr kommen. „Was nicht reingehört, ist eine Publikumsbeschimpfung, dass die Menschen nur zu Weihnachten kommen.“

Er stellt sich auf sein Publikum ein. „Weihnachten muss man sich genau überlegen: Wer ist meine Gemeinde? Die Predigt muss besonders glaubwürdig und lebensnah sein.“

Für die Gottesdienste bedient sich Raunig des „Zeichenvorrats“ der Marineangehörigen, also rauhe See, Anker, Hafen, Orientierungslicht — das habe für diese eine ganz andere Bedeutung. Susanne Zingel, Pastorin an der Sylter Kirche St. Severin in Keitum, geht auf dem Weg zur Arbeit zwar täglich am Meer entlang, aber auf Maritimes will sie nicht setzen. Es sei nicht schwierig, immer neue Themen zu finden, sagt Zingel.

Früher habe sie nach inspirierenden Texten Ausschau gehalten, nun genügt „die andächtige Betrachtung des Weihnachtswunders“. Auch Gedichtbände oder Zeitungsberichte könnten Anstöße geben. Anregungen in Internetportalen sucht sie dagegen nicht. Fünf Gottesdienste gibt es an Heiligabend in der Gemeinde. Drei übernimmt Zingel, keine Predigt wird doppelt gehalten. Das kann nämlich auffallen.

Der Meinung ist auch Pater Klaus Einsle vom Kloster der Legionäre Christi in Düsseldorf-Lichtenbroich. „Ich halte niemals eine Predigt zweimal.“ Lampenfieber vor der Weihnachtspredigt hat er mittlerweile nicht mehr. „Ich bin seit 14 Jahren Priester und die jahrelange Erfahrung macht mich weniger nervös.“ Dieses Jahr predigt er zu Weihnachten in der Niederlassung des Klosters der Legionäre Christi in Bad Münstereifel. „Ich freue mich darauf, ich kenne viele Menschen aus der Gemeinde, es herrscht dort eine vertraute, fast familiäre Atmosphäre.“

Themen für die Weihnachtspredigt zu finden, fällt ihm leicht: „Das ganze Jahr über lebt man mit den Menschen zusammen, da fallen mir als Pater viele Punkte und Bedürfnisse auf, die ich jetzt in meiner Predigt aufgreife.“ Er spürt, dass die Menschen sehnsuchtsvoll und nicht immer zufrieden sind. Viele wünschen sich ein erfüllteres Leben, wissen aber nicht, wie sie es erreichen können. „Hier möchten wir Wege aufzeigen“, sagt der Pater. „Ich arbeite auch viel mit Jugendlichen, und versuche speziell auch auf ihre Bedürfnisse einzugehen.“

Erst eine Woche vorher setzt sich der Ordenspriester daher an seine Weihnachtspredigt. „Ich möchte flexibel sein, manchmal ändere ich auch noch spontan während der Predigt etwas, wenn ich merke — ich habe den springenden Punkt getroffen.“ Angesichts der vielen Gottesdienste an den Weihnachtstagen, dem folgenden Wochenende und Silvester brauchen die Pfarrer aber generell eine Vielzahl von Ideen.

„Es gibt Predigthilfen und Impulse könnten zudem von Hirtenbriefen des Bischofs kommen“, sagt ein Sprecher des Bistums Regensburg. Trotz der Regelungen im sogenannten Direktorium, einer Art Liturgie-Kalender, könnten aber auch aktuelle Themen gebracht werden.

Die liegen für Sieghard Wilm buchstäblich auf der Straße. Er ist Pastor an der Hamburger St. Pauli Kirche mitten im Kiez. „Ein großes Thema ist Einsamkeit. Weihnachten ist eine große Krisenzeit.“ Flüchtlinge, Gewalt, Prostitution — alles Alltag im Gebiet zwischen Reeperbahn und Fischmarkt. „Da ist die Not von Maria und Josef so greifbar. St. Pauli ist ein Stadtteil der Flucht, auch in Alkohol und Drogen.“