Das Thema Corona und der Umgang damit kann die Gemüter erhitzen. Sollte man es daher in Freundschaften besser meiden?
„Alle Krisen räumen Freundschaften auf“ Wenn Corona Freundschaften auf die Probe stellt
Service | Berlin · Das Thema Corona sorgt in der Gesellschaft immer wieder für Auseinandersetzungen. Das reicht bis in langjährige Freundschaften hinein. Wie kann man dort mit unterschiedlichen Ansichten umgehen?
Die Bandbreite ist groß: Es gibt Coronaleugner, Impfskeptiker, Maskenverweigerer oder Menschen, die übereifrig auf die Einhaltung von Regeln pochen. Es gibt Vorsichtige und Ängstliche ebenso wie Menschen, die auf die Corona-Maßnahmen entspannt oder aggressiv reagieren.
In vielen Momenten im Leben ist man davon nicht direkt betroffen. Im Freundeskreis aber kann es zu Spannungen führen, wenn die Meinungen in Sachen Corona zu sehr auseinanderklaffen. Dann stellt sich die Frage: Das Thema meiden oder offen drüber reden? Je nach Situation kann beides sinnvoll sein, sagt der Psychotherapeut Wolfgang Krüger im Interview. Als Autor eines Buches über Freundschaften weiß er aber auch: Menschen suchen instinktiv die Nähe von Gesinnungsgenossen.
Wolfgang Krüger: Es kommt ganz drauf an. Bei Herzensfreundschaften – also sehr engen Freundschaften, in denen ich eigentlich alles von mir erzählen kann – haben wir beim Thema Corona in der Regel nur geringfügige Konflikte. Denn am Anfang einer Freundschaft achten wir darauf, dass der andere ähnliche Wertvorstellungen hat, ähnliche Sichtweisen vom Leben. In diesen Freundschaften können wir gerne auch über Corona reden, weil sich der Standpunkt nicht wesentlich unterscheidet.
Und in nicht so engen Freundschaften?
Krüger: In Alltagsfreundschaften gibt es weniger Nähe, aber die Abweichungen bei verschiedenen Themen sind größer. Weichen die Ansichten bei einem Thema sehr voneinander ab, kann ich mich mit dem anderen kaum noch darüber unterhalten. Dann geht es schnell in die Richtung einer Ideologie. Dann werden Gespräche schwierig.
Wie kann man eine Freundschaft retten, wenn sie durch Auseinandersetzungen zum Thema Corona kriselt?
Krüger: Es läuft oft darauf hinaus: Jeder will den anderen überzeugen, aber keiner will überzeugt werden. Das macht irgendwann keinen Sinn mehr. Gehen die Ansichten zu sehr auseinander, geht auch die Freundschaft meist auseinander. Sind die Abweichungen nicht so groß, sollte man einfach aufhören, über das Thema Corona zu reden. Stattdessen kann man gute Gespräche über wesentliche Fragen des Lebens führen, etwa: Wann bist du im Leben glücklich? Wie bist du durch Krisen gekommen? Welche Ziele hast du? Darin kann ich dem anderen nahekommen und komme weg von der Ebene der Ideologie.
Zeigen Auseinandersetzungen über Corona vielleicht auch, dass man eine Freundschaft ruhig aufgeben kann?
Krüger: Das ist immer so. Alle Krisen räumen Freundschaften auf und strukturieren sie neu. Krisen verdeutlichen, wer der andere ist. Wir sind in allen Krisenzeiten erschrocken und ernüchtert, wenn wir mitbekommen, wie der andere handelt und denkt. Wenn Corona einmal vorbei ist, werden wir uns vermutlich von etlichen Freundschaften verabschieden. Krisen können Freundschaften stärken, weil man sich aufeinander verlassen kann, oder sie bringen Freundschaften auseinander.
Kann vielleicht auch etwas Gelassenheit helfen?
Krüger: Das kommt ganz drauf an. Ich habe Freunde, die in Bezug auf Corona durchaus vorsichtig sind, sich aber die Frage stellen, ob sie sich wirklich impfen lassen wollen. Damit gehe ich tolerant um. Da muss jeder letztlich wissen, wie weit seine Toleranz geht und wann ein gewisser Grad überschritten ist. Das hängt bei Corona vielleicht auch davon ab, wie alt man ist und wie stark das eigene Immunsystem ist.
Kinder können die Leidtragenden bei unterschiedlichen Ansichten der Eltern sein. Kann man seinem Kind zum Beispiel deswegen den Umgang mit Freunden verbieten?
Krüger: Es gibt eine Grundregel: Das Kind muss selbst entscheiden können, wen es besucht und mit wem es befreundet ist. Wenn sich mein Kind woanders wohlfühlt, habe ich mich als Elternteil meines Erachtens herauszuhalten. Das Kind muss seinen eigenen Weg finden. Wenn ich konkrete Gefahren sehe, dass die Gesundheit oder das Leben des Kindes gefährdet sind, schreite ich natürlich ein.