Illegaler Handel Wie der lukrative Drogenhandel im Darknet die Ermittler herausfordert
Wiesbaden · Im Darknet, dem abgeschirmten Teil des Internets, fühlen sich auch viele Kriminelle wohl. Geschützt durch Verschlüsselungstechnik handeln sie mit Drogen und anderen illegalen Waren. Dass die Ermittler nicht chancenlos sind, zeigt der aktuellste Fall.
Bei Käufern und Verkäufern von illegalen Drogen war der „Wall Street Market“ eine feste Anlaufstelle. 1,1 Millionen Nutzer, so berichten es die Ermittler, hatten sich auf dem Online-Marktplatz im so genannten Darknet registriert, einem abgeschirmten Teil des Internets.
Harte Drogen, illegal abgeschöpfte Daten oder Schadsoftware - mehr als 400 000 Verkäufe illegaler Waren wurden nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) über die Plattform abgewickelt, darunter 250 000 Drogenbestellungen. Doch nun hat das Treiben zumindest hier ein Ende: Ermittler aus Europa und den USA konnten die mutmaßlichen Hintermänner ausfindig machen und in Deutschland festnehmen. Die Infrastruktur wurde beschlagnahmt, Server standen unter anderem auch in den Niederlanden und in Rumänien.
Unter den „Kunden“ des „Wall Street Market“, der Name erinnert an die berühmte New Yorker Straße mit der Wertpapierbörse, hatte sich schon seit über einer Woche Nervosität breit gemacht. Die illegale Handelsplattform war seit dem 23. April nicht mehr erreichbar, angeblich wurden nur die Server gewartet. Doch vielen Käufern schwante sicherlich schnell, dass ihre hinterlegten Guthaben in den Kryptowährungen Bitcoin und Monero verloren waren. Die Betreiber hatten mit einem „Exit-Scam“, wie es im Szene-Jargon heißt, noch mal richtig Kasse machen wollen, nachdem sie zuvor schon an den Transaktionen mitverdient hatten.
Es geht um Millionengewinne, wie Georg Ungefuk schätzt, der Sprecher der in Frankfurt am Main angesiedelten Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität. Einen Teil präsentieren die Ermittler am Freitag in Wiesbaden: Auf einem Tisch liegen Geldscheine gleich bündelweise gestapelt. Sollten sie sich als echt erweisen, dann liegt dort der Gegenwert eines Einfamilienhauses - mehr als 550 000 Euro. In einer Vitrine lagern mutmaßlich teure Uhren, die bei den Verdächtigen gefunden wurden, vor dem BKA-Gebäude steht ein beschlagnahmter weißer Sportwagen.
„Wall Street Market“ war nach Angaben der Ermittler eine der weltweit größten kriminellen Handelsplattformen. Bei allein rund 60 bis 70 Prozent der Transaktionen ging es um Rauschgift wie Heroin, Kokain oder auch Haschisch, wie Ungefuk berichtet - damit könnten Kriminelle die größten Gewinne erzielen. Die Verdächtigen in Deutschland, die mutmaßlich die Plattform betrieben haben, sollen nicht selbst mit Drogen gehandelt, aber an den illegalen Geschäften kräftig mitverdient haben.
Die drei Tatverdächtigen hatten die Ermittler seit März im Visier. Wie sie genau den mutmaßlichen Betreibern der Plattform auf die Schliche gekommen sind, wollte das BKA nicht sagen, damit nicht andere Betreiber krimineller Online-Plattformen vorgewarnt werden. Nur soviel: Es waren auch verdeckte Ermittler im Einsatz.
Für den Zugang zum Darknet ist ein spezieller Browser jenseits von Internet Explorer, Firefox oder Chrome erforderlich: Am weitesten verbreitet ist der „Tor“-Browser, der direkt auf das Tor-Netzwerk des Darknet zugreift. Mit ihm kann man aber auch im offenen Teil des Netzes anonym unterwegs sein.
Anders als beim üblichen World Wide Web lassen sich Inhalte im Darknet nicht einfach suchen. Die jeweiligen Angebote, die sich in der Regel unter Adressen mit der Endung „.onion“ finden, müssen gezielt in das Adressfeld eingegeben werden, dem Nutzer also schon bekannt sein. Außerdem gibt es Link-Sammlungen mit verfügbaren Seiten, etwa das „Hidden Wiki“. Das Darknet ist nicht nur Tummelplatz von Kriminellen und deren Kunden: Es wird aber auch von Menschen genutzt, die sich in einem repressiven politischen System austauschen wollen.
Auch der „Wall Street Market“ wurde im Anonymisierungs-Netzwerk Tor betrieben. Daten, die durch das Tor-Netzwerk geleitet werden, sind mehrfach verschlüsselt - jede Station im Tor-Netzwerk kennt nur Vorgänger und Nachfolger, aber nicht den ganzen Weg des Signals. Das macht es den Strafverfolgern schwer. „Es war technisch sehr herausfordernd“, sagt BKA-Präsident Holger Münch dazu.
Denkbar ist, dass die Ermittler selbst Tor-Knotenpunkte betrieben haben und so Erkenntnisse gewinnen konnten. Möglich ist aber auch, dass die Ermittler über die transferierten Summen die Tatverdächtigen aufspüren konnten. Auf welchem Weg auch immer - die Ermittler standen vor großen Herausforderungen. Diesmal aber hatten sie eine Chance und schlugen zu.