Willem-Alexander: Letzter König der Niederlande?
Amsterdam (dpa) - Spott für den König: „Gegen Bändchenschneiden ist nichts einzuwenden“, erklärt Willem-Alexander als Cartoonfigur. „Solange ich dabei einen guten Schnitt mache!“ So lästerte die angesehene Zeitung „NRC Handelsblad“ über den Nachfolger von Königin Beatrix.
Mit dem Thronwechsel am 30. April wird er einer der bestbezahlten Monarchen Europas. Dabei hatte eben jener Willem-Alexander einst erklärt, er werde verzichten, sollte die Königsrolle nur noch eine zeremonielle sein und auf „lintenknipperij“ - das Durchschneiden von Einweihungsbändern - hinauslaufen.
Genau so ist es zwar gekommen - das Parlament schränkte die wenigen politischen Befugnisse niederländischer Monarchen voriges Jahr weiter ein. Doch als der Thronfolger vor einer solchen Entwicklung warnte, war er 26 und steckte noch in seiner Sturm- und Drangphase. Als Student hatte er sich am Biertisch den Spitznamen „Prins Pilsje“ ertrunken. Von sich reden machte der breitschultrige Blondschopf mit dem gewinnenden Lachen weniger dank Top-Klausuren als mit Zechtouren und immer neuen Freundinnen. Auch mal damit, dass er sein Auto in eine Gracht der Universitätsstadt Leiden fuhr.
Der Prinz sei „intelligent, aber nicht intellektuell“, formulierte der Historiker Henk Wesseling, der seine Examensarbeit im Studienfach Geschichte betreute. Heute, zwei Jahrzehnte danach - und längst verheiratet mit der charmanten und bodenständigen Argentinierin Máxima sowie Vater dreier entzückender Töchter - sieht der kommende König die „lintenknipperij“ erheblich entspannter.
Eine nur symbolische Rolle, eine rein zeremonielle Königswürde? Überhaupt kein Problem, betonte der einst so ungestüme Kronprinz kurz vor dem Thronwechsel in einem Fernseh-Interview an der Seite von Máxima. Sie darf sich als Monarchengattin Königin nennen lassen.
Nicht, dass ihnen Titel wichtig wären, erklärten beide. Jeder dürfe sie nennen, wie er möge. „Ich bin kein Protokollfetischist“, versicherte der Prinz einem Millionenpublikum. Eine nur zeremonielle Rolle sei doch okay. Denn: „Auch beim Bändchenschneiden kann es um Inhalte gehen.“ Schließlich könne er selbst entscheiden, welche Bändchen er zerteile und so zeigen, was ihm wichtig sei.
Monarchie-Gegner wettern zwar, dass er dafür mit einem Jahresgehalt von steuerfreien 850 000 Euro überbezahlt sei und die 200 000 Euro Basis-Salär des deutschen Bundespräsidenten auch für das Oranje-Staatsoberhaupt ausreichen sollten. Dennoch verfehlt die „Ich bin euer Kumpel Willem“-Offensive nicht die erwünschte Wirkung: Die sowieso traumhaften Sympathiewerte der Oranje-Royals stiegen weiter.
Tatsächlich war der geschickte Auftritt wohl auch eine Flucht nach vorn. Willem-Alexander überrumpelte damit selbst den ärgsten Monarchie-Widersacher im Parlament: „Eindrucksvoll“, twitterte Geert Wilders, der Chef der populistischen Partei für die Freiheit. „Er begreift das Primat der Politik.“
In Den Haag streben viele Abgeordnete - mit Ausnahme der christlich-konservativen und bürgerlich-liberalen - nach Mehrheiten, um den König vollkommen auf eine symbolische Funktion festnageln zu können, falls er nicht spurt. Einige wollen die Monarchie gar abschaffen: „Wenn es nach uns geht“, sagt der Fraktionsvorsitze der Grün-Linken, Bram van Ojik, „wird er der letzte König sein.“
Doch der intelligente Willem-Alexander kennt die Herausforderung seines Königtums: Das Überleben der Oranje-Erbmonarchie zu sichern, um sie eines Tages Tochter Amalia (9) übergeben zu können. Dafür will er sie „modernisieren“, an die Entwicklung der Gesellschaft anpassen. Ihre Bedeutung für die Identität der Niederländer will er immer wieder beweisen. Er will - und sei es als Galionsfigur - das Volk „zusammenbinden, repräsentieren und ermutigen“.
Jahrzehnte hat er sich darauf vorbereitet. Auch indem er sich - einem Rat seines 2002 gestorbenen deutschen Vaters Prinz Claus von Amsberg folgend - zum Experten für Wassermanagement ausbilden ließ. Kein anderes Fach ist für sein plattes Land wichtiger, das sich mit einem riesigen System von Deichen, Kanälen und Pumpstationen vor der Nordsee schützen muss - erst recht in Zeiten des Klimawandels.
Natürlich weist die königliche Vita etliche weitere Pluspunkte auf, die Willem-Alexanders Qualifikation für den Königsjob demonstrieren. Seine militärische Laufbahn etwa. Bis zum Brigadegeneral der Reserve hat er es gebracht. Am liebsten war ihm dabei die Fliegerei.
Aus seiner Luftwaffen-Zeit stammt eine Anekdote, die den Ruf des Thronfolgers als liebenswerten Draufgänger fördert: 1992 überredete er seinen Fluglehrer Willem de Boer, die Flugverbotszone über Paleis Huis ten Bosch zu ignorieren. So jagten die beiden in Sportflugzeugen über das Residenzschloss von Beatrix hinweg. „Seine Mutter war nicht erfreut“, berichtete De Boer.
Zum Image des fitten Alleskönners gehört Sportbegeisterung: 1992 lief Willem-Alexander beim New York Marathon mit. Vorher nahm er an der populären „Elfstedentocht“ im niederländischen Friesland teil. Sie gilt als das härteste Schlittschuhrennen der Welt.
Toll auch seine Fähigkeit zur Selbstkritik. Dass er in Afrika eine Luxusvilla kaufte, als viele Holländer wegen der Finanzkrise um ihre Ersparnisse fürchteten, nannte er später einen „Einschätzungsfehler“. Königliche Demut mag das Volk. So werden denn am 30. April nur sehr wenige dem Aufruf von Monarchie-Gegnern folgen und T-Shirts mit der Aufschrift „Ik Willem niet“ tragen.