30 Jahre künstliche Befruchtung: Kinder aus dem Reagenzglas
Vor 30 Jahren kam das erste deutsche Retortenbaby zur Welt. Heute ist die damals umstrittene künstliche Befruchtung Routine.
Erlangen. Es war der Durchbruch nach jahrzehntelanger Forschung und ein Hoffnungsschimmer für viele ungewollt kinderlose Frauen: Am 16. April 1982 erblickte in der Erlanger Frauenklinik das erste deutsche Retortenbaby das Licht der Welt. Es kam per Kaiserschnitt zur Welt und wog 4150 Gramm.
Erstmals war auch deutschen Medizinern eine künstliche Befruchtung außerhalb des Mutterleibs gelungen. Am Montag feiert Oliver bereits seinen 30. Geburtstag. Ob und wie er das Jubiläum begeht, darüber hüllt sich der junge Mann allerdings in Schweigen.
Auch in den zurückliegenden Jahren hat der in einem kleinen oberfränkischen Dorf lebende Mann jeden Medienkontakt strikt abgelehnt, so dass wenig über ihn an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Wenn man in seinem Ort nach dem „ersten deutschen Retortenbaby“ fragt, weiß aber fast jeder der knapp 3000 Einwohner, wer gemeint ist. Aber von wegen Baby: Oliver? Der sei inzwischen ein Brocken von Mann, heißt es dort.
Der inzwischen verstorbene frühere Leiter des Forschungsteams, Professor Siegfried Trotnow, war damals selbst in Fachkreisen auf Widerstand gestoßen. Schon bei der Geburt des weltweit ersten Retortenbabys Louise Brown in England hatte eine lebhafte Debatte über die ethische Vertretbarkeit der künstlichen Befruchtung eingesetzt (siehe Kasten).
Für den heutigen Direktor der Frauenklinik, Matthias Beckmann, ist das Thema dagegen Geschichte. Die In-Vitro-Fertilisation — so der Fachbegriff — sei nach 30 Jahren Routine. Dabei wird die Eizelle mit Sperma auf künstlichem Weg in einem Reagenzglas befruchtet.
Mit 200 künstlichen Befruchtungen dieser Art spielt die Methode laut Beckmann an der Erlanger Klinik keine große Rolle mehr. Sie finde weitgehend in Praxen statt. Inzwischen ist in Erlangen die Entwicklung von Verfahren weit fortgeschritten, die auch krebskranken Frauen nach ihrer Genesung Mutterglück ermöglichen sollen.
Dazu entnehmen die Mediziner Frauen vor Beginn der Krebsbehandlung Eierstockgewebe, frieren es ein und pflanzen es später wieder ein. Inzwischen hat die erste frühere Krebspatientin ein Kind zur Welt gebracht.