Genetische Karte Axolotl-Erbgut hilft beim Rätsel um nachwachsende Gliedmaßen
Wien (dpa) - Wissenschaftler sind dem Geheimnis nachwachsender Gliedmaßen, Muskeln und Nerven ein Stück weit auf die Spur gekommen.
Ein Team aus Wien, Heidelberg und Dresden habe die gesamte Erbinformation des mexikanischen Schwanzlurchs Axolotl entziffert, teilte das Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien mit. Der Lurch ist wegen seiner Fähigkeit zur Regeneration von Gliedmaßen ein Schlüssel bei der Erforschung dieser Mechanismen.
Mit 32 Milliarden Basenpaaren sei dessen Erbinformation mehr als zehnmal so groß wie das menschliche Genom. Es handle sich um das größte bisher entzifferte Genom. Eine Gruppe um die Forscherin Elly Tanaka fand dabei mehrere Gene, die nur beim Axolotl (Ambystoma mexicanum) und anderen Amphibienarten vorkommen und in regenerierendem Gewebe aktiv sind.
„Wir haben jetzt die genetische Karte in der Hand, mit der wir untersuchen können, wie komplizierte Strukturen - zum Beispiel Beine - nachwachsen können“, erklärte Sergej Nowoshilow, IMP-Postdoktorand und Co-Autor der Studie, die in der Zeitschrift „Nature“ erschienen ist. Wenn der kannibalistisch veranlagte Axolotl ein Körperteil verliert, wächst binnen weniger Wochen ein perfekter Ersatz mit Knochen, Muskeln und Nerven nach. Auch durchtrenntes Rückenmark und verletztes Netzhautgewebe kann der Axolotl wiederherstellen.
Zur Forschergruppe gehören auch Michael Hiller und Gene Myers vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden sowie Siegfried Schloissnig vom Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS).
Der Axolotl ist wegen seiner Eigenschaften schon seit rund 150 Jahren Gegenstand der Forschung. Eine der größten Axolotl-Kolonien wird im Labor von Tanaka am IMP betreut. Das Forschungsinstitut betreibt mit mehr als 200 Forschern biomedizinische Grundlagenforschung.
Der Axolotl wird bis zu 25 Zentimeter groß und existiert seit rund 350 Millionen Jahren. Er wird bis zu 25 Jahre alt. Von ihm leben in Labors mittlerweile wohl mehr Exemplare als in der Natur. Es gilt als wahrscheinlich, dass sein Kannibalismus ein wesentlicher Grund für die extreme Regenerationsfähigkeit ist. Angesichts dieses Fressverhaltens ist das Nachwachsen von Gliedmaßen und Nerven ein Selektionsvorteil.
Bisher wurde das Axolotl-Genom aufgrund seiner Größe nicht komplett entziffert. Dank der neuen PacBio-Technologie zur Bestimmung längerer Stücke des Genoms sei das nun möglich, schreibt das IMP. Auffallend sei, dass ein wichtiges und weit verbreitetes Entwicklungsgen „PAX3“ beim Axolotl vollständig fehle. Dessen Funktion übernehme ein verwandtes Gen namens „PAX7“. Beide Gene spielten eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Muskeln und Nerven.