Bis in fünf Meter Tiefe Ein „Maulwurf“ gräbt sich in den Mars

Bremen/Berlin (dpa) - Der Mars steckt zurzeit in einer blauen Tonne. Eigentlich handelt es sich um Sand aus der Mojave-Wüste in den USA. Doch für die Forscher vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen ist er wichtiges Testmaterial für eine Mars-Mission.

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Torben Wippermann greift mit der Hand etwas Sand. „Das wäre der ungünstigste Fall“, sagt er. Denn von den verschiedenen Sandtypen auf der Erde lässt sich die Mojave-Variante wegen ihrer kantigen Körner am schwierigsten durchdringen. Neben Wippermann auf dem Tisch liegt das Modell einer Sonde. Im Labor muss sie sich auch in schwieriges Terrain vorwagen, damit die Forscher gut gerüstet sind für den Einsatz im Weltall.

„Maulwurf“ nennen Wippermann und seine Kollegen das Messgerät liebevoll. Wie ein Maulwurf soll es sich in wenigen Monaten in den Marsboden graben. Seine Form erinnert allerdings mehr an eine Mini-Rakete: ein 40 Zentimeter langer Stab, der vorne spitz zuläuft. Bis in fünf Meter Tiefe soll er vordringen. Die Forscher haben extra einen Landeort ausgewählt, wo der Marssand mehr als fünf Meter in die Tiefe reicht.

In das kleine Instrument setzen sie große Hoffnungen: Es könnte helfen, einige Geheimnisse des Roten Planeten zu lüften. „Wie entstehen die riesigen Vulkanbauten auf dem Mars? Wie hat der Mars sein Magnetfeld verloren?“, zählt der wissenschaftliche Leiter des Projekts, Tilman Spohn, einige Fragen auf.

„HP3“ heißt die Sonde offiziell, die das DLR entwickelt hat. Noch ist sie viele Millionen Kilometer vom Einsatzort entfernt. Am 26. November wird sie mit dem neuen Marslander „InSight“ der US-Raumfahrtbehörde Nasa den Planeten erreichen. Dieser soll den Roten Planeten einem großen Check-up unterziehen, dem ersten seit seiner Entstehung vor 4,5 Milliarden Jahren, wie es von der Nasa heißt. Dabei soll „InSight“ mit vielen empfindlichen Geräten ins Innere des Mars' blicken. Der Lander wird nicht umherfahren wie der Rover „Curiosity“, sondern an seinem Landeplatz verharren.

Dort wird ein Greifarm den Maulwurf auf der Marsoberfläche absetzen. Auf seinem Weg nach unten soll er die Temperatur des Bodens und dessen Wärmeleitfähigkeit messen. „Dadurch kann man Rückschlüsse auf die Bodenbeschaffenheit ziehen, wie der Mars im Inneren aufgebaut ist und wie heiß der Kern ist“, sagt Wippermann. Doch den Forschern geht es nicht nur um den Mars, sondern auch um Erkenntnisse über die Erde. „Wenn wir uns die Unterschiede ansehen, verstehen wir auch unseren Planeten besser“, erläutert der Planetenforscher Spohn vom Berliner DLR.

Soweit die Theorie. In der Praxis ist das alles viel komplizierter. Nachdem der Marslander aufgesetzt hat, wird er erstmal seine Umgebung fotografieren. Die Nasa baut diese dann in einem Modell nach, mit dessen Hilfe die Experten die besten Plätze für die Messgeräte ausfindig machen können. Möglichst eben sollte der Boden sein und auf keinen Fall mit dickem Fels durchzogen, denn an dem würde der Maulwurf scheitern. „Es ist in gewisser Weise eine riskante Mission“, sagt Spohn. „Wir wissen nicht sicher, ob und wie tief wir in den Boden kommen.“

Ist der optimale Platz gefunden, wird sich die Wärmeflusssonde quasi in den Mars hämmern. In ihrem Innern schnellt eine Feder nach vorne, stößt einen Hammer gegen die Spitze und treibt diese dadurch immer weiter in den Boden. Alle halbe Meter hält sie an, um zu messen. Dafür erwärmt sich eine Heizfolie an ihrer Außenseite und gibt Wärme an den Marsboden ab. 14 Sensoren, die an einem Flachbandkabel oberhalb der Sonde angebracht sind, erfassen, wie viel von der Wärme weiter oben ankommt. Auch die Temperatur des Marsbodens an sich messen die Sensoren.

Wenn alles gut geht, wird das Gerät nach zwei Monaten in fünf Metern Tiefe angekommen sein. Sein Einsatz ist dann zu Ende, die Sensoren werden aber weiter die Temperatur im Boden messen. Die „InSight“-Mission soll nach Angaben der Nasa etwas mehr als ein Mars-Jahr dauern - was ungefähr zwei Jahren auf der Erde entspricht. Solange soll auch das Messgerät Daten sammeln und dabei die Temperaturveränderungen im Verlauf der Jahreszeiten messen.

Damit die Wissenschaftler die Daten später richtig auswerten können, sind die Tests in Bremen wichtig. „Der Maulwurf verändert den Marsboden. Er verdrängt und verdichtet ihn. Diese Störung muss man herausrechnen“, erläutert Wippermanns Kollege Marco Scharringhausen. Am Ende könne das aber nur eine Annäherung sein, gibt er zu. „Welche Art von Boden wir auf den Mars vorfinden, weiß keiner.“ Deshalb müssen er und Wippermann diesen so gut es geht simulieren. Wichtige Erkenntnisse liefern dabei die Geschwindigkeit, mit der sich die Sonde durch die Oberfläche arbeitet, und die Wärmeleitfähigkeit des Bodens.

Im Sommer nächsten Jahres könnten die Daten von „HP3“ vorliegen - vorausgesetzt, alles läuft nach Plan. Die großen Fragen können die Wissenschaftler mit den Werten allein nicht beantworten. Doch sie werden helfen, Computermodelle über den Mars zu erstellen. „Dadurch haben wir zum ersten Mal gesichertes, gemessenes Wissen über die Wärme im Marsinneren“, sagt Spohn.