Europa: Eine große Familie
San Francisco (dpa) — Die meisten Menschen kennen die Herkunft ihrer Familie höchstens bis zu den Urgroßeltern. Alles davor liegt im Dunkeln. Forscher fanden nun, dass alle Europäer recht eng miteinander verwandt sind.
Ob Engländer, Schweden, Deutsche oder Polen — alle Europäer sind relativ eng miteinander verwandt. Geht man etwa 1000 Jahre in der Zeit zurück, teilt fast jeder Europäer mit fast jedem anderen viele Vorfahren. Das berichten US-Forscher im Fachmagazin „PLoS Biology“.
Peter Ralph und Graham Coop von der University of California in Davis (US-Staat Kalifornien) verglichen das Erbgut von mehr als 2000 Menschen aus 40 europäischen Ländern. Ihre Analyse bestätige mathematisch-statistische Modelle, die schon vor etwa zehn Jahren eine enge Verwandtschaft der Europäer miteinander vorhergesagt hätten, schreiben die Forscher.
Die meisten Menschen kennen ihre eigene Familiengeschichte höchstens einige Generationen zurück, haben aber sonst kaum eine Vorstellung von ihren Ahnen und von ihrer Verwandtschaft mit anderen Menschen. Grundsätzlich verdoppelt sich mit jeder Generation die Zahl der Vorfahren: Jeder Mensch hat zwei Eltern, vier Großeltern, acht Urgroßeltern und so weiter.
Ralph und Coop suchten nun in den Erbgut-Daten von 2257 Menschen nach Abschnitten, in denen die DNA identisch aufgebaut ist. Die Idee: Individuen, die solche Erbgut-Abschnitte miteinander teilen, haben auch einen gemeinsamen genetischen Vorfahren. Je kürzer so ein Abschnitt ist, desto weiter zurück lebte dieser Vorfahre, weil in jeder Generation das Erbgut neu rekombiniert, also durchmischt, wird. Lange Abschnitte weisen hingegen auf einen gemeinsamen Vorfahren vor vergleichsweise kurzer Zeit hin.
Zwei der untersuchten Europäer, die heute mindestens 2000 Kilometer voneinander entfernt leben, haben demnach gleiche Erbgutstückchen im Schnitt von einem gemeinsamen Vorfahren, der vor 1000 bis 2000 Jahren lebte. Für die Zeit vor 2000 bis 3000 Jahren teilen sie sich im Schnitt mehr als zehn solcher genetischer Ahnen.
Aber über die Jahrtausende gehen auch viele Erbgutschnipsel verloren, weil Menschen immer nur einen Teil ihres Erbguts vererben. Daher gehen die Forscher davon aus, dass Europäer noch viel mehr gemeinsame Ahnen haben, als die reine Erbgutanalyse zeigt.
Erwartungsgemäß sind Menschen am engsten mit jenen verwandt, die in ihrer Nähe leben. Ein Brite ist demnach enger mit einem anderen Briten verwandt als mit einem Deutschen, aber enger mit einem Deutschen als mit einem Griechen.
In den Verwandtschaftsbeziehungen der Europäer spiegelt sich zum Teil auch die Geschichte der Bevölkerungen wieder, schreiben die Forscher. Zwei Menschen einer kleinen Populationen seien grundsätzlich enger miteinander verwandt als solche aus einer größeren Population. Das liege daran, dass in einer kleinen Bevölkerung die Zahl möglicher Vorfahren gering ist und somit die Wahrscheinlichkeit zweier Menschen groß, einen gemeinsamen Vorfahren zu haben.