Extremes Übergewicht: Forscher entdecken neue Mutation

Ulm (dpa) - Mediziner des Universitätsklinikums Ulm haben nach eigenen Angaben eine neue Krankheit entdeckt. Aufgefallen ist sie bei einem Kind das immer dicker wurde und mit drei Jahren schon mehr als 40 Kilo wog, wie die Uniklinik mitteilte.

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Das Kind war einfach nie satt, was die Ulmer Forscher durch einen Zufall auf ein biologisch inaktives Sättigungshormon zurückführen konnten. Seit das Kind eine künstlich hergestellte Form des Hormons Leptin bekomme, esse es weniger und habe abgenommen, berichten die Mediziner um Prof. Martin Wabitsch im „New England Journal of Medicine“.

Das Uniklinikum Ulm spricht von einer „neuen Krankheit“, wird da jedoch von Experten der Deutschen Gesellschaft für innere Medizin (DGIM) gebremst: „Eine solche Mutation ist natürlich extrem selten“, sagte Petra-Maria Schumm-Draeger vom DGIM-Vorstand der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.

Die Erkenntnisse aus Ulm seien für die Wissenschaft „hochinteressant“ und von hoher Qualität, klinisch gesehen sei die entdeckte Mutation aber eine „absolute Rarität“. Heißt: Dass man weiteren Übergewichtigen auf diesem Wege helfen kann, ist recht unwahrscheinlich. Die Funktionsweise von Leptin sei seit 20 Jahren bekannt.

Das Hormon Leptin (griechisch leptos = schlank) im Fettgewebe produziert und hemmt im Gehirn die Nahrungsaufnahme. „Sind die Energiespeicher gut gefüllt, wird viel Leptin produziert, und der Appetit wird gezügelt, wodurch die Fettspeicher wieder leerer werden“, heißt es in einer Mitteilung des Klinikums. Kann das Hormon nicht produziert werden, erhält das Gehirn kein Sättigungssignal. Mit der Folge, dass ungebremst Nahrung aufgenommen wird.

Fettleibigkeit aus Leptinmangel ist bereits bekannt. Bei dem Kind in Ulm war aber genug Leptin vorhanden. Die Forscher entdeckten jedoch eine Mutation. Das fehlerhafte Hormon konnte sich dadurch nicht an den Leptin-Rezeptor binden und ihn auch nicht aktivieren.

Wabitsch, der Leiter der Sektion Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie ist, erklärte: „Die Information des Botenstoffs kommt am Ziel nicht an. Damit wird dem Körper ein Hormonmangel vorgetäuscht, der mit herkömmlichen Verfahren nicht messbar ist, da die gemessenen Konzentrationen im Blut normal sind.“

Der Mediziner bekam von der Ethikkommission des Universitätsklinikums und den Eltern die Erlaubnis, das Kind mit künstlich hergestelltem Leptin zu behandeln. Bereits nach wenigen Tagen sei die Wirkung zu erkennen gewesen, sagte Wabitsch. „Es ist davon auszugehen, dass dies kein Einzelfall ist. Wir haben bereits weitere Patienten mit dieser Diagnose identifiziert.“