Raumfahrt Frauen im Weltall - wie weit geht die Gleichberechtigung?
Bremen (dpa) - Nicole Mann hat keine Angst davor, nach den Sternen zu greifen. Die 40-Jährige könnte in ein paar Jahren zu den ersten Astronauten gehören, die mit dem neuen US-Raumschiff „Orion“ ins All fliegen.
„Ich werde aufgeregt sein, aber nicht nervös. Alles, was wir tun, ist ein kalkuliertes Risiko“, sagt sie an diesem Tag in Bremen zu Ingenieuren, die Teile der Raumkapsel bauen. Ja, Mann ist eine unerschrockene Frau. Und ein Vorbild.
Nach ihrem Auftritt möchten viele Zuhörer ein Foto mit Nicole Mann vor einem Modell von „Orion“ im Bremer Werk des Raumfahrtkonzerns Airbus Defence and Space - vor allem eine junge Frau knipst begeistert Selfies. Mann strahlt in ihrer blauen Nasa-Jacke in die Kameras. Aufmerksamkeit ist sie gewohnt: Eine Astronautin ist auch in ihrem Heimatland USA etwas Besonderes. In Deutschland ist sie eine Sensation.
Noch nie ist eine deutsche Astronautin ins All geflogen. Am nächsten dran war wohl Renate Brümmer, die 1993 Ersatzkandidatin für den zweiten deutschen Spacelab-Flug war. Eine Tatsache, die nicht nur Nicole Mann, sondern auch Ellen Ochoa verwunderlich findet. Die 59-Jährige leitet als Direktorin das Johnson Space Center in Houston, wo Astronauten für den Einsatz im Weltall ausgebildet werden. „Es macht keinen Unterschied, ob Mann oder Frau. Wir absolvieren alle das gleiche Training“, sagt sie.
Ochoa spricht aus eigener Erfahrung. Von 1993 bis 2002 flog sie viermal an Bord des US-Spaceshuttles ins All. „Alles, was Astronauten im All machen, können sowohl Männer als auch Frauen machen.“ Bei der Auswahl sei nur die Qualifikation entscheidend: Gesucht sind Wissenschaftler und Ingenieure, Leute, die gut im Team arbeiten können, die fit und belastbar sind.
All das trifft auf Nicole Mann zu. Sie flog als Testpilotin Kampfflugzeuge und hat Maschinenbau studiert. Damit ist sie jedoch keine Ausnahme. In Manns Astronautenklasse waren genauso viele Männer wie Frauen. Am Ende entschied sich die US-Raumfahrtagentur Nasa für sieben Männer und fünf Frauen, die nun für einen Flug ins All trainieren. Eine Quote, über die Mann gar nicht nachdenkt. „Man arbeitet einfach mit einem anderen Kollegen zusammen. Nationalität und Geschlecht sind dabei egal.“
Frauen im Weltraum - auch in den USA war das nicht immer selbstverständlich. Früher rekrutierte die Nasa ihre Astronauten unter Testpiloten des Militärs. „Das war zu einer Zeit, als Frauen nicht im Militär sein oder als Piloten arbeiten durften“, erläutert Ochoa. Außerdem hätten vor 30 Jahren nur wenige Frauen Natur- oder Ingenieurwissenschaften studiert.
59 Frauen sind nach Angaben der Nasa bisher von der Erde ins All gestartet. Damit liege der Frauenanteil bei etwa 10 Prozent, sagt die Managerin Claudia Kessler, die Fachkräfte in der Raumfahrtbranche vermittelt. Die Nasa komme bei ihren Astronautenanwärtern fast auf eine 50-Prozent-Quote, sagt sie. Auch Kanada habe beschlossen, bei der nächsten Auswahl einen Mann und eine Frau auszusuchen. „Europa sollte sich das für eine nächste Auswahl auch vornehmen“, sagt Kessler. Bei der letzten hat es mit der Italienerin Samantha Cristoforetti nur eine Frau ins sechsköpfige europäische Astronautenteam geschafft.
Allein auf die europäische Raumfahrtagentur Esa will sich Kessler jedoch nicht verlassen. Sie will 2020 die erste deutsche Astronautin auf die Internationale Raumstation (ISS) schicken. Dafür hat sie die private Initiative „Die Astronautin“ gegründet. „Wir brauchen dringend mehr Rollenmodelle, um Mädchen für Technik und Wissenschaft zu begeistern“, sagt sie. Vorausgesetzt, die Initiative kann genug Geld - etwa 50 Millionen Euro sind nötig - einsammeln, wird eine der beiden Kandidatinnen wohl in die deutsche Geschichte eingehen.
„Es ist wichtig, dass junge Frauen sehen, dass solche Grenzen der Vergangenheit angehören“, findet auch Nicole Mann. Kinder sind auf jeden Fall kein Hindernis für eine Astronauten-Karriere. Ellen Ochoa hat zwei Kinder, die bei ihrem letzten Weltraumtrip noch sehr klein waren. Nicole Manns Sohn ist jetzt fünf Jahre alt. „Ich werde ihn definitiv vermissen.“ Sie weiß aber, dass es ihrem Sohn gut gehen wird, sollte sie in ein paar Jahren mit „Orion“ ins All fliegen. Ihr Mann wird sich um den Jungen kümmern. „Mr. Mom“, sagt sie und lacht.