Genom von Internet-Kätzchen Lil Bub wird entschlüsselt
Berlin (dpa) - Nein, Lil Bub ist keine gewöhnliche Katze. Sie hat eine eigene Talkshow, in der jüngst die amerikanische First Lady zu Gast war. Und Michelle Obama präsentierte, zugeschaltet auf einem historischen TV-Gerät und charmant lächelnd, ihr Fünf-Punkte-Fitness-Programm für Kinder.
Außerdem gibt es Lil-Bub-Fotos mit Robert De Niro und eine preisgekrönte Filmdokumentation über ihr Leben. Ein Teil ihrer Beliebtheit mit Hunderttausenden Anhängern auf Facebook, Youtube und Instagram hat das Katzenfräulein körperlichen Besonderheiten zu verdanken, die auf diverse genetische Anomalien zurückgehen. Und diese wollen Forscher aus Berlin nun aufschlüsseln.
Weit aufgerissene grüne Augen, die aus einem zahnlosen Mäulchen heraushängende Zunge und verkürzte Beine mit je sechs Krallen an den Pfoten sind eine Art Markenzeichen von Lil Bub und lassen sie aussehen, als sei sie geradewegs aus einem Manga-Comic herausmarschiert. Ursache dafür ist jedoch unter anderem eine seltene Knochenkrankheit, die Osteopetrose, bei der sich das Knochengewebe stark verdichtet und verkrümmt. Außerdem hat die sechskrallige Lil Bub Polydaktylie - auch manche Menschen haben diese Anlage für überzählige Finger oder Zehen in ihrem Erbmaterial.
„Als wir im Internet über Videos von Lil Bub stolperten, waren wir sofort dabei“, erzählt der Biologe Daniel Ibrahim vom Max-Planck-Institut für Molekulargenetik in Berlin. In seiner Forschungsgruppe sucht er nach genetischen Faktoren, die die Entwicklung von Gliedmaßen und Knochen steuern. „Solche Fehlbildungen, wie Lil Bub sie hat, kannten wir von Menschen. Aber wir wussten bisher nicht, dass sie auch zusammen auftreten können.“ Von der Sequenzierung des Kätzchengenoms und dem Vergleich mit gesunden Katzen erhoffen sie sich nun Aufschluss über die konkreten Mutationen. „Wenn wir diese kennen, können möglicherweise auch Therapien zielgerichteter eingesetzt werden“, sagt Ibrahim. „Aber zunächst ist das alles Grundlagenforschung.“
Konkreten Nutzen sehen die Wissenschaftler dennoch: „Wir wollen den gesamten Arbeitsprozess transparent und öffentlich machen.“ Die Internet-Berühmtheit von Lil Bub sieht Ibrahim ebenso wie seine Teamkollegen Dario Garcia-Lupianez und Uschi Symmons als einzigartige Chance. „Wir können einer breiten Öffentlichkeit unsere komplizierte Arbeit nahe bringen“, sagt Ibrahim. Deshalb hat das Trio sein Projekt auch über eine Crowdfunding-Plattform finanziert: In weniger als einem Monat hatten sie am 19. Mai die erforderlichen 6500 Euro zusammen.
„Als klassisches Projekt mit DFG-Finanzierung, das hätte nicht gepasst. Aber so haben wir eine bunte Mischung an Unterstützern begeistern können“, erzählt Ibrahim. Forscher, Katzenfreunde und vor allem die große Lil-Bub-Gemeinde griffen ins Portemonnaie und spendeten im Durchschnitt 34 Euro.
Auch Lil Bubs Herrchen - der Musiker und Produzent Mike Bridavsky, der das Katzenbaby 2011 in einem Werkzeugschuppen im ländlichen Indiana gefunden hatte - musste nicht lange davon überzeugt werden, wie wichtig mehr Aufklärung über Osteopetrose sein kann. Schließlich hatte Lil Bub 2012 nur durch Zufall von einer speziellen, selten angewandten Elektro-Puls-Therapie profitiert, als ihre Gelenke komplett zu versteifen drohten.
Bridavsky schickte den Forschern eine Blutprobe von Lil Bub nach Berlin, eisgekühlt liegt sie nun im Institut zur Sequenzierung bereit. Ein paar Wochen werde dies dauern, kündigen die Biologen an. Bis die Crowdfunding-Frist in wenigen Tagen ausläuft, wollen sie weiter Geld sammeln - und mit dem Überschuss das Projekt einer Kollegin zur Erforschung von Katzenkrankheiten unterstützen. Denn Katzenfans, so bekunden sie, seien sie alle drei.