Gletscher schmelzen weniger stark als vermutet
London (dpa) - Das Abschmelzen von Gletschern, Eisschilden und Eiskappen auf den Landmassen der Erde hat den Meeresspiegel zwischen 2003 und 2010 um etwa 1,5 Millimeter pro Jahr erhöht.
Dies berichten Wissenschaftler nach einer detaillierten Auswertung von Satellitenbildern im Fachblatt „Nature“ (Online vorab). Gletscher und Eiskappen allein haben der Untersuchung zufolge in diesem Zeitraum deutlich weniger Masse verloren als bisher angenommen. Vor allem in den Hochgebirgen Asiens sei der Verlust geringer als in früheren Studien errechnet.
Das Team um Thomas Jacob und John Wahr von der Universität von Colorado in Boulder (US-Staat Colorado) hatte Aufnahmen der Grace-Satelliten-Mission ausgewertet. Über die monatlichen, globalen Schwerefeldmessungen ermittelten die Forscher Massevariationen auf der Erde. Die Wissenschaftler konzentrierten sich zunächst auf Gletscher und Eiskappen mit einer Fläche von mehr als 100 Quadratkilometern. Zu den untersuchten Regionen gehörten etwa die Gletscher in Hochgebirgen wie den Alpen oder dem Kaukasus, das patagonische Inlandeis oder die kanadischen Eiskappen.
Demnach verloren Gletscher und Eiskappen etwa 148 Gigatonnen Masse pro Jahr von Januar 2003 bis Dezember 2010. Dieser Verlust verursachte dem Bericht zufolge einen Meeresspiegel-Anstieg von 0,4 Millimetern pro Jahr. Die gut untersuchten riesigen Eisschilde Grönlands und der Antarktis sowie angrenzende Gletscher und Eiskappen sparten die Forscher zunächst aus.
Der Masseverlust sei um knapp ein Drittel geringer als bislang angenommen, schreibt das Team. Mit nur vier Gigatonnen (4 000 000 000 Tonnen) pro Jahr sei er in den Hochgebirgen Asiens, wie dem Himalaya oder der Tibetischen Hochebene, unerheblich.
Bisher gab es nur wenige Daten darüber, wie viel Masse diese Eisflächen pro Jahr hinzugewonnen oder verloren hatten. Einige Experten hatten aber angenommen, dass sie erheblich zum Anstieg des Meeresspiegels beitrügen.
Anschließend ermittelten die Forscher auch den Masseverlust des grönländischen und der antarktischen Eisschilde. Beide haben zusammen im Untersuchungszeitraum mehr als 380 Gigatonnen pro Jahr an Masse verloren und den Meeresspiegel um etwa 1,1 Millimeter jährlich ansteigen lassen, wie die Wissenschaftler errechneten.
Schmelzende Gletscher gelten als ein Symbol des Klimawandels und können zum Beispiel die Trinkwasserversorgung in angrenzenden Gebieten langfristig gefährden. Mit acht Jahren sei der Zeitraum der Studie relativ kurz, schreibt Jonathan Bamber von der britischen Universität Bristol in einem Kommentar. Dennoch habe sie dazu beigetragen, den Einfluss der Gletscher und Eiskappen auf den Meeresspiegel besser zu verstehen.