Großmuttereffekt mindert Verbreitung von Brustkrebs-Genen
Adelaide (dpa) - Trägerinnen typischer Brustkrebs-Gene sind oft fruchtbarer als andere Frauen - dennoch sind diese Gene weniger verbreitet als in der Folge anzunehmen wäre. Diesem Phänomen hat sich der Genetikexperte Jack da Silva von der Universität Adelaide (Australien) gewidmet.
Ein Grund könnte demnach der sogenannte Großmuttereffekt sein: Frauen nach der Menopause können die Zahl ihrer Enkel steigern, weil sie ihre Töchter und deren Nachkommen unterstützen. Sein Kommentar und die ihm zugrunde liegende Studie sind in den britischen „Proceedings“ der Royal Society B nachzulesen.
Die Studie aus dem Jahr 2011 hatte ergeben, dass Trägerinnen von BRCA1- oder BRCA2-Mutationen bis zu zwei Kinder mehr hatten als Frauen aus einer Vergleichsgruppe. Mutationen in den beiden Genen erhöhen das Risiko, an Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken. Die Forscher der Universität von Utah (USA) hatten Daten der Bevölkerung des US-Bundesstaates analysiert. Auf dieser Basis schätzten sie die Zahl potenzieller Trägerinnen von BRCA-Mutationen in den Vorgängergenerationen ab. Trägerinnen veränderter Gene, die vor 1930 geboren wurden und bis zu 45 Jahre alt wurden, hatten durchschnittlich zwei Kinder mehr (6,22 Kinder) als Frauen einer Vergleichsgruppe (4,19 Kinder).
Warum aber haben sich die BRCA1- und BRCA2-Mutationen dann nicht stärker verbreitet? Überwiegend treten diese Tumoren nach den Wechseljahren auf, schreibt da Silva. Er zieht den Großmuttereffekt als mögliche Ursache heran: Frauen, die nicht an Krebs erkranken und somit die Wechseljahre überleben, produzieren indirekt mehr Nachkommen, weil sie ihren eigenen Nachwuchs beim Aufziehen der Kinder unterstützen. Dies stehe im Kontrast zu anderen Primaten.
Eine Studie von Lebensgeschichten finnischer und kanadischer Frauen aus dem 18. und 19. Jahrhundert habe gezeigt, dass sie pro Jahr nach dem 50. Geburtstag durchschnittlich 0,2 Enkel mehr hatten. Wie groß der Großmutter-Effekt auf die Weitergabe der Brustkrebsgene ist, sei aber noch unklar, heißt es in der Studie. Zur Analyse müsste noch weiter in der Zeitgeschichte zurückgegangen werden: In Jäger-Sammler-Populationen sei die Fruchtbarkeit der Frauen durch längere Intervalle zwischen den Geburten und eine kürzere Phase der Reproduktion insgesamt niedriger. Der potenzielle Einfluss der Großmütter müsse noch analysiert werden.
Die Bedeutung von BRCA1 für Brustkrebs wurde 1994 entdeckt. In den USA hat Analysen nach eine von 3000 Frauen Mutationen im BRCA1-Gen. Bei Frauen mit Mutationen in diesem Gen steigt das Risiko für Brusttumore auf bis zu 80 Prozent. Als weitere kritische Erbanlage wurde BRCA2 identifiziert. Mutationen in den beiden Genen sind für den Großteil der erblichen Brustkrebsfälle und für fünf bis zehn Prozent aller bösartigen Brusttumore verantwortlich. Auch das Risiko für Eierstockkrebs und andere Tumoren steigt.