Kostenübernahme Homöopathie als Kassenleistung?
Die Krankenkassen verteidigen ihre Praxis zur Finanzierung der alternativen Behandlung gegenüber neu aufgeflammter Kritik.
Düsseldorf. Naturwissenschaftler fahren schweres Geschütz gegen die Homöopathie auf. Der Vorwurf: Unabhängig vom Nachweis der Wirksamkeit werde die Homöopathie politisch gefördert und von den gesetzlichen Krankenkassen mit den Beitragsmitteln der Mitglieder finanziert.
Gleichzeitig betonen die kritischen Mediziner und Biologen in ihrer sogenannten Freiburger Erklärung zur Homöopathie, dass das Ziel ihrer Kritik nicht der heilsuchende Patient und der einzelne homöopathisch arbeitende Therapeut sei. Es gehe vielmehr um eine Abschaffung des Sonderstatus, den die Homöopathie bei der Politik und den Trägern des Gesundheitswesens hat. Diese beruhe auf (Selbst-) Täuschungen der Anwender und Therapeuten. Die Mechanismen seien vielfältig, aber bestens bekannt und erforscht.
Fragt man die Krankenkassen, warum sie Homöopathie aus Beitragsmitteln ihrer Mitglieder bezahlen, bekommt man eher bedächtige Unterstützung für die Methoden zu hören. Andrea Hilberath, Sprecherin der Techniker Krankenkasse, betont, dass man als Kasse keine medizinische Expertise habe. Es laufe aber derzeit eine Studie in Zusammenarbeit mit der Berliner Charité, in der die Effektivität und Wirtschaftlichkeit der Homöopathie überprüft werden soll. Mit Ergebnissen sei jedoch nicht vor 2018 zu rechnen.
Für die DAK Gesundheit betont Sprecher Rainer Lange: „Immer mehr Versicherte vertrauen auf die homöopathische Behandlung und machen sehr gute Erfahrungen damit.“ Andererseits sei die Wirkung der Homöopathie nicht zweifelsfrei wissenschaftlich erwiesen. Es gebe zwar eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen, aber es sei keine Studie darunter, die von ihrer Gestaltung eine eindeutige Aussage erlaube. Lange: „Andererseits käme keiner auf die Idee, das Arztgespräch nicht mehr zu honorieren. Obwohl es keine einwandfreien Studien gibt, halten wir selbstverständlich daran fest, denn nach Expertenmeinung sind etwa nur 20 Prozent aller Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend durch wissenschaftliche Studien im Sinne von evidenzbasierter Medizin untermauert.“
Aus der Sicht von Thorsten Jakob, Sprecher der Barmer GEK, muss man sich immer wieder darüber unterhalten, welche Therapien und Verfahren zusätzlich angeboten werden. „Diese müssen ausdrücklich nicht allein evidenzbasierte Ansätze der klassischen Schulmedizin, sondern können auch alternative Heilmethoden sein. Wir Kassen sollten die Versicherten dabei über Vor- und Nachteile aufklären, doch die Entscheidung für oder gegen eine solche Therapie fällen nicht wir.“
Dies halte man für eine große Stärke des Systems. Jakob: „Wir leben in einer zunehmend pluralen und selbstbestimmten Gesellschaft, in der die Vorstellungen von Gesundheit, Gesunderhaltung und Therapie nicht einheitlich gestaltet und vorgegeben werden sollten. Deshalb ist es richtig, dass Krankenkassen diese unterschiedlichen Konzepte prüfen und in der Leistungsgewährung Flexibilität und Kundenorientierung zeigen.“
Die Sprecher der gesetzlichen Kassen verteidigen ihre Position auch damit, dass der Gesetzgeber im Sozialgesetzbuch homöopathische Behandlungsmethoden nicht ausgeschlossen habe.
Cornelia Bajic, Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ), sieht in den Angriffen eine Kampagne gegen die Homöopathie. Sie verweist auf den Gesundheitsmonitor 2014 der Bertelsmann Stiftung, eine repräsentative Studie zum deutschen Gesundheitswesen. 43 Prozent der Befragten hätten dabei „chronische Erkrankungen“ als Anlass für die Behandlung durch den homöopathischen Arzt genannt. 32 Prozent nannten „vorübergehende Erkrankungen“ als Grund.
Unter ärztlicher Homöopathie hätten sich laut Gesundheitsmonitor bei mehr als 80 Prozent der Patienten mit akuten und chronischen Erkrankungen das Allgemeinbefinden und die seelische Verfassung gebessert. Am deutlichsten seien körperliche Beschwerden zurückgegangen (85 Prozent). „Selbstverständlich ist die ärztliche Homöopathie kein Allheilmittel“, so Bajic“, „doch offenbar ist sie ein geeignetes Mittel, um den medizinischen Herausforderungen in einer Gesellschaft mit immer mehr chronisch erkrankten und multimorbiden Menschen wirkungsvoll zu begegnen.“
Die Vertreter der evidenzbasierten Medizin, die ihrem Unmut mit der Freiburger Erklärung Luft machen, wollen therapeutische Wirkungen, die im Rahmen einer homöopathischen Behandlung zustande kommen können, nicht in Abrede stellen. Diese hätten allerdings nichts mit dem spezifisch verabreichten Homöopathikum zu tun:
„Vielmehr beruht die vermutete und vermeintlich erfahrene Wirksamkeit homöopathischer Präparate auf Suggestion und Autosuggestion der Patienten und Therapeuten. Wir gehen davon aus, dass viele homöopathisch arbeitende Mediziner und Heilpraktiker sich der Existenz und Vielfalt solcher Mechanismen nicht bewusst sind und in bester Absicht handeln. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Schlüsse, die sie ziehen, falsch sind und daher schädlich sein können.“
Die Skeptiker behaupten ausdrücklich nicht, „dass die von uns vertretene wissenschaftliche Methode derzeit alles erforschen und erklären kann. Sie versetzt uns aber in die Lage zu erklären, dass die Homöopathie sich selbst nicht erklären kann. Und sie ist der beste Weg, den wir zur Verfügung haben, wirksame Behandlungen von unwirksamen zu unterscheiden.“