Konsistenz macht Probleme Kommt der Siegeszug der Reisbrote?
Tokio (dpa) - Was dem Deutschen das Brot und die Kartoffel, ist dem Japaner traditionell der Reis. Kaum eine Mahlzeit im Land der aufgehenden Sonne, die nicht ohne diese Beilage serviert wird.
Und doch ist der Reiskonsum der Japaner deutlich rückläufig. Verzehrten sie im Jahr 1962 noch durchschnittlich 118,3 Kilogramm, waren es 2015 nur noch 54,6 Kilogramm, wie Daten des Agrarministeriums zeigen.
Das hat auch mit veränderten Essgewohnheiten zu tun: Brot statt Reis zum Frühstück ist im modernen Japan längst nicht mehr unüblich. Das bekommen auch die Reisbauern zu spüren. Nun soll Brot aus Reismehl dazu beitragen, den Reiskonsum im Inselreich wieder anzukurbeln. Bislang kommen die Reisbrote aber ohne Zusatzstoffe nur schwer an die Konsistenz der Konkurrenz aus Weizen oder Roggen heran. Sie sind zum Teil grobkörnig und bröselig, Butter kann man darauf kaum schmieren.
Deshalb wird dem glutenfreien Reismehl oft Weizengluten zugesetzt, das bei einigen Menschen Allergien auslösen kann. In anderen Fällen enthalten die Reisbrote Verdickungsmittel oder Stärke. Das soll sich nun ändern: Forscher der Universität Hiroshima haben mit Japans National Agriculture and Food Research Organisation (Naro) eine Methode entwickelt, um Backwaren aus reinem Reismehl herzustellen, die Weizen- und Roggenbroten in Sachen Konsistenz ebenbürtig sein sollen.
Die Entwickler frohlocken schon, dass dies die globale Brotproduktion regelrecht „revolutionieren“ könne. Aber wie gelingt nun so ein Brot? „Der wichtigste Punkt ist, Reismehl zu benutzen, bei dem die Stärke möglichst unbeschädigt ist“, erläutert Professorin Masumi Villeneuve von der Universität Hiroshima. Denn nicht jedes Reismehl geht beim Backen so auf und bildet einen Teig, wie man es von Broten aus anderen Getreidesorten kennt. „Offensichtlich besteht ein Zusammenhang zwischen der Beschädigung der Stärke und dem spezifischen Volumen des gebackenen Brotes“, erläutert Villeneuve.
Experten vermuten, dass unbeschädigte Stärke die Blasen, die durch den Gärungsprozess entstehen, stabilisiert. Das ist wichtig, damit das Brot nicht einfach in sich zusammenfällt. „Es gibt noch einiges, was wir über diesen Mechanismus nicht wissen“, räumt Villeneuve ein. Doch sehen die beteiligten Forscher großes Potenzial. Sollten Produzenten die Vorteile erkennen, zu glutenfreiem Reismehl für die Brotproduktion überzugehen, könnte sich der Fokus der globalen Getreideproduktion zu den Reisfeldern Asiens hin verschieben, frohlockt schon die Naro.
Geht es den Weizen- und Roggenbroten deutscher Großbäcker also bald an den Kragen? „Nein, ganz sicher nicht“, meint Armin Juncker, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Großbäckereien. Zwar werde Reismehl auch in Deutschland bei der Herstellung von glutenfreien oder weizenfreien Backwaren verwendet. Im mitteleuropäischen Raum würden Weizen und Roggen aber auch in Zukunft die Hauptgetreidesorten für die Broterzeugung bleiben.
Es gebe immer wieder Neuerungen und Bereicherungen, die auch ihre Nische im Markt fänden, sagt Juncker. Und sicherlich werde Reis im Zuge des Trends zu einer mehr pflanzenbasierten Ernährung allgemein eine „größere Bedeutung“ bekommen. Weizen und Roggen als Hauptbestandteile für Brot würden dadurch aber nicht ersetzt.
In Japan geht die Forschung und Entwicklung des Reisbrotes dennoch unbeirrt weiter. Demnächst werde eine Brotbackmaschine auf den Markt kommen, mit der man ganz ohne Zusatzstoffe glutenfreies Brot aus Reismehl backen könne, das weich sei wie Brot aus Getreidemehl, kündigte Hiroyuki Yano von der Naro an.