Natur dient als Vorbild Natürlich kleben dank Zecken-Zement und Schneckenschleim
Wien (dpa) - Den Klettverschluss kennt jeder. Auch Saugnäpfe sind aus Badezimmern kaum mehr wegzudenken. Die natürlichen Vorbilder dafür: die Widerhaken der Großen Klette und die Tentakel von Tintenfischen.
Forscher gehen noch einen Schritt weiter: Sie wollen nicht nur mechanische Phänomene aus der Natur übernehmen, sondern auch chemische. Auf einer zweitägigen Konferenz, die am Montag in Wien begann, tauschten sie sich über Ansätze für Bio-Klebstoffe aus.
So untersucht der Zoologe Janek von Byern von der Universität Wien seit über zehn Jahren natürliche Klebstoffe. Aktuell forscht er an Sekreten von nordamerikanischen Salamandern, neuseeländischen Insekten und der Weinbergschnecke.
Es dauert lange, bis die Wissenschaftler etwa herausfinden, was Schneckenschleim so klebrig macht. Erst danach kann die Arbeit der Biotechnologen beginnen: die natürlichen Klebstoffe in großen Mengen und möglichst günstig herzustellen.
„Wir hangeln uns Schritt vor Schritt voran“, erklärt von Byern. In 15 Jahren, sagt er, werde die Forschung sehr viel mehr über die Zusammensetzung von Schneckenschleim und anderen klebenden Sekreten wissen. „Bio-Klebstoffe gibt es genug. Wir müssen sie nur erforschen.“
Daran arbeitet auch Johannes Suppan von der Universität Wien. Er untersucht seit knapp einem Jahr den sogenannten Zecken-Zement: Denn Zecken stechen nicht nur Tiere und Menschen, um Blut zu saugen, sie fixieren sich auch zusätzlich mit einem klebrigen Speicheldrüsensekret. So können sie tage- und manchmal wochenlang an ihrem Opfer haften. „Die Anwendung ist für uns sehr interessant“, erklärt der Zoologe. „Denn der Zecken-Zement funktioniert bereits auf der Haut.“ So sei es einfacher, das Prinzip auf die medizinische Anwendung zu übertragen.
Doch nicht nur die Medizin, auch die Kosmetik könne von natürlichen Klebstoffen profitieren. Denn in vielen Haarsprays ist Formaldehyd enthalten, erklärt von Byern. „Das ist hochgradig giftig. Doch viele Verbraucher wissen es nicht.“ Der Wissenschaftler macht der Industrie den Vorwurf, sie interessiere sich zu wenig für biologische Klebstoffe. „Die wollen es gar nicht besser machen.“
Das weist der Industrieverband Klebstoffe zurück. Bereits 15 Prozent der eingesetzten Klebstoffe basierten auf nachwachsenden Rohstoffen, erklärt Ansgar van Halteren, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands. Ein großes Problem sei jedoch die Wirtschaftlichkeit: „Es gibt ganz, ganz viele Ideen, aber sie müssen auch für den Markt umsetzbar sein.“
Daran arbeiten beispielsweise 15 Projekte deutschlandweit, die von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe mit insgesamt 7,7 Millionen Euro gefördert werden. Einige natürliche Klebstoffe finden bereits Verwendung: So können Ärzte kleine Risse in der Fruchtblase mit Muschelkleber verschließen. Bis biologische Alternativen jedoch die konventionellen Produkte im Haushalt ersetzen, wird es noch Jahre dauern, sagen die Forscher.