Schlaganfall mit 29: „Ich dachte, das trifft nur Ältere“

Karlsruhe (dpa) - Fremde bemerken die Beeinträchtigung von Claudia B. kaum. Doch wenn die 34-Jährige an der Supermarktkasse etwas länger zum Bezahlen braucht oder ihr eine Münze durch die Finger rutscht, werden die Wartenden hinter ihr oft ungeduldig.

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„Man sieht es nicht auf den ersten Blick, aber ich bin eingeschränkt“, sagt die Frau, die in der Nähe von Karlsruhe lebt. „Auf der rechten Körperseite habe ich kein Gefühl. Ich kann zwar gehen und greifen, aber manchmal fällt mir etwas runter.“

Claudia B. hatte vor fünf Jahren einen Schlaganfall - im Alter von 29. Damit gehört sie zu den jährlich schätzungsweise 10 000 bis 40 000 Menschen in Deutschland, die schon im jüngeren Alter - also unter 50 - einen Schlaganfall erleiden. Das wären rund 4 bis 15 Prozent der bundesweit insgesamt 270 000 Betroffenen pro Jahr.

Schlaganfälle entstehen durch Durchblutungsstörungen des Gehirns, die in etwa 80 Prozent der Fälle durch eine Verstopfung von Blutgefäßen verursacht werden (ischämisch). Seltener sind Blutungen ins Hirngewebe der Grund (hämorrhagisch). In Deutschland seien Schlaganfälle die dritthäufigste Todesursache und der häufigste Grund für dauerhafte Behinderungen, sagt Joachim Röther, Sprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft.

Generell steige das Risiko eines Schlaganfalls mit zunehmendem Alter exponentiell, erläutert der Chefarzt der Neurologie der Asklepios Klinik Altona. Der simple Grund: Mit der Zahl der Lebensjahre nehmen die Risikofaktoren zu - etwa Vorhofflimmern, Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte, Übergewicht oder die Folgen jahrzehntelangen Rauchens.

Generell sei bei jungen Patienten die Diagnose schwieriger, sagt Ulf Bodechtel, Chefarzt der Bavaria-Klinik im sächsischen Kreischa. Während Ärzte bei Älteren, die plötzlich an Sprachstörungen oder Lähmungserscheinungen leiden, sofort einen Schlaganfall abklären, warten Jüngere nicht selten lange auf die Diagnose. „Die Symptomatik ist zwar in allen Altersgruppen identisch, aber bei Älteren denkt man eher daran“, sagt Bodechtel. Bei Jüngeren werde ein Schlaganfall dagegen mitunter erst nach Wochen diagnostiziert.

So auch bei Claudia B.: Ihre Symptome begannen mit extremen Kopfschmerzen - schlimmer als die Migräne, die die Pharmazeutisch-Technische Assistentin kannte. Ihre Hausärztin schrieb sie drei Tage krank. Doch die Beschwerden, die schubweise kamen, wurden schlimmer: „Nach zehn Tagen merkte ich, dass meine rechte Seite gelähmt war, und ich konnte keinen Satz mehr rausbringen“, erzählt die Frau, die daraufhin an eine Neurologin überwiesen wurde: Auch die erkannte die Ursache nicht und schickte die Patientin weiter zu einer Klinik.

Erst dort brachte eine Untersuchung per Magnetresonanztomographie (MRT) die Diagnose: Schlaganfall durch eine sogenannte Dissektion, bei der es in die Gefäßwand einblutet und die innere Wand eines Blutgefäßes einreißt. In der Folge wird das Gefäß verengt oder kann sich verschließen.

„Die Diagnose Schlaganfall war ein Schock“, erinnert sich Claudia B. „Bis dahin dachte ich, das betrifft nur ältere Menschen.“ Sie musste nach der Diagnose in der Klinik bleiben und kam sofort auf eine Stroke Unit - eine Schlaganfall-Station. Sieben Tage blieb sie im Krankenhaus. Danach war ihre Sprachstörung verschwunden, doch nicht die halbseitige Lähmung.

Sie kam in eine Reha-Klinik, zunächst für vier Wochen, dann erneut für neun Wochen und später für weitere fünf Wochen. Schlaganfall-Symptome und -Therapie und auch die Art der Reha ähneln sich bei allen Altersgruppen. Doch junge Menschen haben eine bessere Prognose. „Bei älteren Menschen ist das Ziel oft, eine Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu mindern“, sagt Bodechtel. Die Reha dauere in der Regel drei Wochen bis drei Monate. „Jüngere dagegen will man wieder ins Berufsleben integrieren. Die Patienten machen deshalb oft mehrere Rehas, um das beste Ergebnis zu erzielen.“

Belastend ist für viele Menschen der Übergang von der stationären Reha, in der sie den ganzen Tag betreut werden, zur ambulanten Versorgung, wenn nur noch gelegentlich ein Therapeut kommt. „Nach der stationären Reha fallen viele in ein Loch“, sagt Röther.

Claudia B. begann nach der Reha eine Umschulung zur Industriekauffrau - und fand eine Stelle. Zwar ist sie noch immer beeinträchtigt, aber: „Ich habe akzeptiert, dass die Dinge nicht mehr so einfach sind und dass ich Hilfe annehmen muss.“ Zwar spürt sie noch immer, wenn an der Supermarktkasse Wartende missmutig werden, weil sie zum Zahlen etwas länger braucht. „Aber das ist mir mittlerweile egal.“