Spekulationen über Entdeckung von Gravitationswellen
Washington (dpa) - Das Universum erzittert im Takt explodierender Sonnen und verschmelzender Schwarzer Löcher. Diese kosmischen Katastrophen erfüllen das Weltall mit einer Flut sogenannter Gravitationswellen.
Zumindest theoretisch.
Denn die Schwerewellen sind bislang vor allem eine spektakuläre Vorhersage von Albert Einsteins Relativitätstheorie. Obwohl es kaum ernsthafte Zweifel an ihrer Existenz gibt, sind sie trotz intensiver Suche bisher nicht direkt gemessen worden - den Vorhersagen zufolge sind die Wellen in der Regel äußerst schwach. Jetzt verbreitet ein US-amerikanischer Physiker Gerüchte darüber, dass eines der empfindlichsten Instrumente der Welt tatsächlich Gravitationswellen nachgewiesen haben könnte.
Die Entdeckung wäre mit großer Sicherheit einen Nobelpreis wert, denn sie würde nicht nur Einsteins Vorhersage bestätigen, sondern auch ein neues Beobachtungsfenster ins Universum öffnen.
Lawrence Krauss von der Arizona State University in Tempe schrieb schon im vergangenen September im Kurznachrichtendienst Twitter von „Gerüchten über einen Gravitationswellen-Nachweis am Ligo-Detektor“, dem „Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorium“ in den USA. Vor ein paar Tagen legte Krauss nun nach: „Mein früheres Gerücht über Ligo ist von unabhängigen Quellen bestätigt worden. Bleiben Sie dran! Gravitationswellen sind möglicherweise entdeckt worden!! Aufregend.“ Das Pikante daran: Krauss ist nicht an Ligo beteiligt und hat nach eigenen Worten auch mit keinem der etwa 900 Ligo-Forscher selbst gesprochen, wie er dem US-Fachjournal „Science“ verriet. „Wenn ich etwas wirklich spannend finde, soll ich dann nie darüber reden?“, erläuterte er seinen Vorstoß.
Ist etwas dran an den Gerüchten? Möglicherweise. Die Forscher des Ligo-Experiments verweigern jedoch jeden Kommentar. „Wir lassen Sie mit Sicherheit wissen, wenn wir Neuigkeiten mitzuteilen haben“, teilte Ligo-Sprecherin Gabriela Gonzalez „Science“ mit. Sicherlich haben die Ligo-Physiker die missglückte Ankündigung ihrer Kollegen vom Südpol-Observatorium Bicep2 vor Augen, die bereits vor zwei Jahren sicher waren, die Signatur von Gravitationswellen entdeckt zu haben. Die vermeintliche Entdeckung zerfiel allerdings buchstäblich zu Staub.
Bicep2 hatte in der sogenannten kosmischen Hintergrundstrahlung nach feinen Mustern gesucht, die von Gravitationswellen aus den ersten Sekundenbruchteilen des Universums stammen können. Folgeuntersuchungen zeigten jedoch, dass die Forscher in ihrer Analyse wohl den Einfluss von kosmischem Staub unterschätzt hatten, der dieselben Muster erzeugen kann. Ein Nachweis von Gravitationswellen ließ sich letztendlich nicht mehr zweifelsfrei belegen. Zwar können sich auch Forscher irren. Die Bicep2-Wissenschaftler traf jedoch Kritik, weil sie mit ihren Beobachtungen direkt an die Öffentlichkeit gegangen waren und ihre Analyse nicht wie üblich zunächst in einem Fachjournal präsentiert hatten, wo sie sich vor der Veröffentlichung dem kritischen Blick von Fachleuten hätten stellen müssen.
Diesen Fehler möchten die Ligo-Forscher vermutlich vermeiden. Zudem ist vom Ligo-Experiment bekannt, dass gelegentlich ein künstliches Signal heimlich in die Messdaten eingebaut wird, um die Datenanalyse zu testen. Angeblich wird so ein Fehlalarm erst aufgelöst, wenn die beteiligten Wissenschaftler bereits einen Fachaufsatz über das vermeintliche Signal bei einem wissenschaftlichen Journal einreichen wollen. Ob möglicherweise ein solcher Fehlalarm den Ligo-Gerüchten zugrunde liegt, ist unbekannt.
Das Experiment arbeitet grundlegend anders als Bicep2 und kann Gravitationswellen direkt messen - sofern diese stark genug sind. Gravitations- oder Schwerewellen entstehen laut Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, wenn massereiche Körper beschleunigen, abbremsen, explodieren oder zusammenstoßen. Anders als Schall- oder Lichtwellen wandern Gravitationswellen nicht durch den Raum, sondern dehnen und quetschen den Raum selbst.
Experimente wie Ligo lauern auf so ein Ereignis, indem sie die Länge von zwei L-förmig angeordneten Armen minuziös vergleichen. Dazu wird ein Laserstrahl durch beide Arme geschickt und an deren Zusammentreffen zur Überlagerung gebracht. Verschieben sich die beiden Laserstrahlen gegeneinander, etwa weil eine Gravitationswelle die beiden rechtwinklig angeordneten Arme unterschiedlich stark dehnt oder staucht, kommt es zu einem charakteristischen Interferenzmuster. Das Laserinterferometer von Ligo hat zwei vier Kilometer lange Arme und soll noch Längenänderungen nachweisen können, die nur ein Zehntausendstel eines Atomkerndurchmessers betragen.
Ob sich das Ligo-Gerücht bewahrheitet oder nicht - der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen ist für viele Physiker nur noch eine Frage der Zeit. Und sollten irdische Instrumente dafür nicht ausreichen, bereitet die europäische Raumfahrtagentur Esa mit dem Projekt eLISA bereits ein Weltrauminterferometer vor, das eine Armlänge von Millionen Kilometern besitzen soll.