Gesellschaft Studie: Deutsche Bevölkerung wird ab 2043 wieder jünger
Laxenburg (dpa) — Nach einer neuen statistischen Analyse wird die deutsche Bevölkerung bis zum Jahr 2043 älter und dann wieder jünger. Zu diesem Schluss kommen Warren Sanderson vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) im österreichischen Laxenburg und Kollegen.
In ihrer Studie im Fachmagazin „PLOS ONE“ nutzen sie eine Methode, die nicht nur auf das tatsächliche Alter von Menschen abzielt.
Wenn Statistiker das Altern einer Gesellschaft beschreiben wollen, schätzen sie gerne die künftige Entwicklung des Medianalters ab, das die Bevölkerung in eine jüngere und eine ältere Hälfte teilt. Den Forschern um Sanderson greift das zu kurz. Sie schauen auf das sogenannte „prospective median age“. Mit ihm lässt sich berücksichtigen, dass ein heute 50-Jähriger schwer mit einem 50-Jährigen in einigen Jahrzehnten zu vergleichen ist, weil letzterer durch die gestiegene Lebenserwartung noch mehr Jahre vor sich hat.
Die Forscher ermittelten zunächst das tatsächliche Medianalter für einen bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft. In diesem Alter und zu diesem Zeitpunkt hat ein Mensch eine bestimmte Lebenserwartung, die den Prognosen nach höher ist als die heute. In einem zweiten Schritt schauen die Forscher, in welchem Alter man in einem Referenzjahr - beispielsweise 2013 - diese Lebenserwartung gehabt hätte. Dieses Alter ist dann das „prospective median age“ für den bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft. Vereinfacht gesagt macht diese Herangehensweise einen Menschen in der Zukunft jünger als sein tatsächliches Alter, weil der Fokus auf den noch zu erwartenden Lebensjahren liegt.
Ihren Berechnungen zufolge erreicht das „prospective median age“ für Deutschland im Jahr 2043 seinen Höhepunkt bei 46,5 Jahren und sinkt dann wieder - bis zum Jahr 2098 auf 40,1 Jahre. Andreas Mergenthaler vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), der nicht an der Studie beteiligt war, hält den Ansatz von Sanderson für innovativ und die Ergebnisse für interessant, sieht aber auch Einschränkungen.
Die „13. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung“ des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2015 zeigt für das klassische Medianalter vier verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten auf, wobei das jeweilige Maximum zwischen 2047 und 2055 liegt. Die Umkehr der Altersentwicklung liegt Experten zufolge auch daran, dass Menschen der geburtenstarken Jahrgänge aus den 1960er Jahren sterben und somit aus der Statistik fallen. Die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur kann weitreichende Folgen haben, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt oder im Gesundheitswesen.
Unabhängig von dieser Untersuchung hat das Statistische Bundesamt am Freitag neue Schätzungen zur Lebenserwartung veröffentlich. Demnach könnten 2017 in Deutschland geborene Jungen bis zu 90 Jahre, Mädchen bis zu 93 Jahre alt werden. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Lebensverhältnisse wie bisher weiterentwickeln. Dazu gehören weitere Fortschritte in der Medizin, ein gesünderer Lebensstil und steigender Wohlstand. Negative Ereignisse wie Kriege, Umwelt- oder Wirtschaftskatastrophen müssten ausbleiben.
Die Statistiker hatten sich zwei verschiedene Szenarien bei der weiteren Entwicklung genauer angeschaut. Ergebnis sind eine höhere und eine niedrigere Schätzung der Lebenserwartung. In der niedrigeren Variante beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung für heute geborene Jungen 84 Jahre und für Mädchen 88 Jahre. Vor 100 Jahren geborene Jungen und Mädchen hatten im Durchschnitt lediglich eine Lebenserwartung von 55 beziehungsweise 62 Jahren.