Verhaltensstudie: Kinder lehnen Ungleichheit aus Trotz ab
New Haven (dpa) - Kinder lehnen es aus Trotz ab zu teilen, wenn sie dabei weniger als ihr Gegenüber erhalten würden. Zu diesem Ergebnis kommt eine US-amerikanische Studie, die in den „Biology Letters“ der britischen Royal Society veröffentlicht ist.
Bislang war unklar, ob nicht doch wie bei manchen Tieren eher Frustration der Grund für die Ablehnung von Ungleichheit ist. Die Fähigkeit zur Kooperation mit Fremden ist beim Menschen im Vergleich zu Tieren besonders ausgeprägt. Unfaire Situationen lehnen Menschen aber ab - und das besonders, wenn sie selbst benachteiligt werden. Um sie zu vermeiden, sind Menschen sogar bereit, auf Dinge zu verzichten, damit andere nicht profitieren.
Wie Studien gezeigt haben, verhalten sich schon Vierjährige so. Vergleichende Forschungen mit Tieren lassen vermuten, dass diese Abneigung phylogenetische, als stammesgeschichtliche Wurzeln haben könnte: Auch einige Tiere lehnen eine weniger wertvolle Ressource ab, wenn sie sehen, dass ein Artgenosse eine bessere Belohnung erhalten hat. Weitgehend unklar sind allerdings die Motive für ein derartiges Verhalten.
Bei Tieren wird davon ausgegangen, dass Frustration die Hauptursache für dieses Verhalten ist. Beim Menschen wird dagegen vermutet, dass Trotz die Ablehnung auslöst. Indem Individuen benachteiligende Ungerechtigkeit ablehnen, korrigieren sie den Rang, den das bevorteilte Individuum hat. Mit anderen Worten: Es ist besser für mich, wenn wir beide nichts haben, als wenn du mehr als ich hast.
Das Forscherteam um die Verhaltenspsychologin Katherine McAuliffe von der Universität Yale ging nun dem Grund für das missgünstige Verhalten nach. Die Wissenschaftler schufen eine Spielsituation, in der in mehreren Versuchen Süßigkeiten unterschiedlich verteilt wurden. Einbezogen wurden Kinder verschiedener Altersgruppen sowie Erwachsene, die eine verschieden verteilte Belohnung annehmen oder ablehnen konnten.
Je zwei Situationen wurden getestet: Im ersten Fall bedeutete eine Akzeptanz, dass die Testperson selbst eine geringere Belohnung bekam als ein gegenüber sitzender Mitarbeiter des Studienteams. Im Fall einer Ablehnung erhielten beide nichts. In der zweiten Versuchssituation erhielt der Sitznachbar so oder so eine größere Menge Süßigkeiten. Die Testperson konnte durch ihr Verhalten nur beeinflussen, ob sie selbst eine geringere oder gar keine süße Belohnung bekam. Das Ergebnis: Kinder im Alter von vier bis neun Jahren entschieden in der ersten Versuchsreihe mehrheitlich so, dass niemand der Spielbeteiligten eine Belohnung bekam. Für die Wissenschaftler spricht dieses Verhalten dafür, dass Trotz die treibende Motivation ist. Bei Frustration hätten die Kinder auch in der zweiten Versuchsreihe überwiegend abgelehnt, was aber nicht der Fall war.
Erwachsene und ältere Kinder zeigten dagegen oft ein selbstloseres Verhalten: Sie gaben sich mit weniger zufrieden und gönnten ihrem Gegenüber die größere Belohnung. Die Wissenschaftler vermuten allerdings, dass zumindest die Erwachsenen angesichts des Versuchsaufbaus fürchteten, als missgünstig zu gelten und ihr Verhalten an die sozialen Normen anpassten. Die Verhaltenspsychologen plädieren dafür, genauer zu untersuchen, ab welchem Alter Kinder in der Lage sind, ohne Trotz auf mangelnde Gerechtigkeit zu reagieren. „Diese Fähigkeit passt in das sich abzeichnende Bild tief reichender entwicklungsgeschichtlicher Wurzeln, die das komplexe menschliche Verhalten von Kooperation und Wettbewerb hat“, heißt es in der Studie.