Mindestens 44 Tote Wut und Verzweiflung nach Beben in China: „Keiner hilft uns“

Jiuzhaigou (dpa) - Die Dorfbewohner fühlen sich im Stich gelassen, erschöpft und verzweifelt. Auch 20 Stunden nach dem schweren Erdbeben in der Provinz Sichuan warten die rund 200 Einwohner des Dorfes Zharuzhai im Naturpark Jiuzhaigou noch vergeblich auf Hilfe.

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„Niemand hilft uns“, klagt eine 33-jährige Tibeterin. „Über unseren Köpfen fliegen den ganzen Tag Hubschrauber, aber niemand kommt zu uns.“ Keine Nahrungsmittel, Zelte oder Decken. „Die Behörden retten nur Touristen, aber nicht die Einheimischen.“

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Einige Zehntausend Besucher des beliebten Touristenziels mit seinen malerischen Wasserfällen und Karstbergen werden bei Evakuierungen aus dem Erdbebengebiet in Sicherheit gebracht - in Bussen und anderen Fahrzeugen. „Nur die Touristen kriegen Hilfe“, sagt die 33-Jährige. Die Dorfbewohner würden ihrem Schicksal allein überlassen. „Wir sind auch menschliche Wesen - oder glauben sie, dass das Leben von Tibetern nichts wert ist?“

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Das Erdbeben der Stärke 7,0 überraschte die Tibeterin beim Abendessen mit Freunden in der Stadt. „Es war schlimm. Ich fuhr sofort mit dem Auto zurück ins Dorf, obwohl die Straße mit Felsbrocken oder Bergrutschen blockiert war.“ Immer wieder habe sie Hindernisse umfahren müssen, berichtet die Frau. „Ich wollte mit meiner Familie sein. Lieber sterbe ich mit ihnen.“

Auf dem Weg habe sie viele Tote und Verletzte gesehen. „Ich sah Touristen und Dorfbewohner, die von Felsen zu Tode gequetscht worden waren“, schildert die Frau. „Ich glaube, dass die Zahl der Toten viel höher sein muss als bisher angegeben.“ Bis Mittwochabend sprachen die Behörden nur von 19 Toten und mehr als 200 Verletzten, was für ein solch schweres Erdbeben recht wenig ist.

Die Dorfbewohner hätten nicht in ihren Häusern, sondern unter freiem Himmel übernachtet - oder in Autos geschlafen. „Wir helfen uns selbst, essen Fertignudeln.“ Immer wieder hätten sie die Parkverwaltung kontaktiert und um Hilfe gebeten, aber nichts sei passiert, sagte die 33-Jährige. Ihre Familie zähle zehn Mitglieder, darunter ihre drei und fünf Jahre alten Kinder. „Sie sind völlig verängstig“, sagt die Tibeterin. „Bei jedem Nachbeben fangen sie wieder an zu weinen.“

Dutzende Bewohner aus dem Dorf Zharuzhai arbeiten im Park, sind aber seit dem Beben vermisst. „Wir können sie nicht erreichen“, sagt die 33-Jährige. Auch aus dem Dorf Heyezhai waren Dutzende bei der Arbeit im Park, als das Erdbeben passierte. „Wir können sie bisher nicht finden“, sagt eine 47 Jahre alte Tibeterin aus dem Dorf.

„Das Erdbeben war sehr stark“, sagt die Frau. Alles auf den Tischen habe gewackelt. Vieles sei aus den Regalen gefallen. Eine Familie, die gerade ein Haus baue, habe neben der Baustelle in einem Zelt geschlafen. Bei den Erdstößen seien sie sofort geflüchtet. „Ein großer Felsbrocken fiel vom Berghang auf ihr Zelt.“

Alle hätten in der Nacht auf einem Basketballfeld oder im Gras geschlafen, wo es schon recht kalt geworden sei. Hohe Berge umsäumten das Dorf. Es sei zu mehreren Bergrutschen gekommen. „Wir haben keine Hilfsgüter von den Behörden bekommen“, sagt auch die Frau aus Heyezhai. „Als wir einen Funktionär auf der Straße stoppten und fragten, schüttelte er nur mit dem Kopf und sagte nichts.“

Über die Not der Menschen war in den Staatsmedien aber wenig zu erfahren. Da wurden vor allem die Hilfsbemühungen eindrucksvoll in Szene gesetzt, um möglicher Kritik an einer vielleicht unzureichenden Reaktion auf das Erdbeben zuvorzukommen. In den zentralen Abendnachrichten des Staatsfernsehens hieß es am Ende auch nur: „Alle Bewohner der Gegend sind angemessen versorgt.“