Zeitgenössische Kunst aus Centre Pompidou in München
München (dpa) - Weltkugeln, mit braunen Auswucherungen: Bei der Installation „Outgrowth“ des Schweizers Thomas Hirschhorn geht es um Kriege, Attentate und Massaker. Sie ist eines von 160 Werken aus dem Pariser Centre Pompidou, die seit Donnerstag im Münchner Haus der Kunst zu sehen sind.
Die Arbeiten von mehr als 100 Künstlern aus aller Welt zeigen die Bandbreite künstlerischer Positionen seit den 1980er Jahren. „Eine Geschichte“ lautet der Titel - ein Hinweis darauf, dass es „die“ Geschichte nicht gibt.
Je nach politischer, geografischer und sozialer Herkunft ändert sich der Blickwinkel. „Ich will unterschiedliche Positionen zeigen“, sagt die Chefkuratorin des Centre Pompidous, Christine Macel. Noch nie sei eine Schau des Pariser Museums in so großem Umfang auf Reisen gegangen. Die Themen reichen von Kriegen und Terror über Katastrophen und Aids bis zu persönlichen Fantasien.
Der Künstler tritt auf als Historiker, Archivar, als Produzent etwa von Clips und als Dokumentarist. Er nutzt das ganze Spektrum von Malerei, Video, Fotografie, Installation und Performance. Die Vielfalt - nicht zuletzt der Künstlernamen - erschlägt fast. Werke der südafrikanischen Künstlerin Marlene Dumas sind dabei, des Franzosen Christian Boltanski und des deutschen Fotografen Andreas Gursky. Mancher Name wird freilich dem unbedarften Besucher nicht viel sagen.
Jeder könne und müsse in dieser Ausstellung selbst seinen eigenen roten Faden finden, sagt die Kuratorin im Haus der Kunst, Julienne Lorz. „Man kann sehr viel entdecken.“
Mehr als 100 deformierte Erdkugeln hat Hirschhorn an einer Wand in Regalen aufgereiht. Ereignisse wie die Zuganschläge islamischer Terroristen von Madrid 2004 hat er mit Zeitungsausschnitten dokumentiert. „Geschwüre“, die Klebeband wie ein Verband zusammenhält, symbolisieren die Katastrophen - „als ob die Welt krank ist“, wie Lorz sagt.
Der „Round Table“ von Chen Zhen aus Shanghai vereinte 1995 zum 50-jährigen Bestehen der Vereinten Nationen 29 Stühle vom Kinderstühlchen mit Topf bis zum Betstuhl an einem großen Tisch - für eine Generationen und Glaubensrichtungen umfassende Gemeinschaft. „Meine Wünsche“ von Annette Messager zeigt auf Schwarz-Weiß-Fotos Körperfragmente: Brüste, Hinterteile, Füße, Finger, Nasenlöcher und Zähne.
Die „Juckende Tasche“, eine Armani-Hose mit Brennnesseln, ist ein witziges Objekt, mit dem der Künstler aber auf die entwurzelte und prekäre Situation rumänischer Migranten in Italien aufmerksam machen will.
Die Ausstellung thematisiert viele einzelne „Geschichten“: bosnische Frauen, die traditionelle Motive an einem Gerüst auf eine Bauplane sticken, SM-Fantasien mit einem als Hund angeketteten Mann, eine Frau, die sich in einem Video selbst verletzt, ein aus Waffen geschmiedeter Stuhl aus Mosambik - als „Thron einer Welt ohne Revolten“.
Oder der Park aus Casablanca: Hassan Darsi hat den heruntergekommenen Park mit Metall, Plastik, Glas, Sand und Erde nachgebaut - und damit so viel Aufmerksamkeit erregt, dass der Gouverneur von Casablanca eine Renovierung des Parks zusagte, wie Lorz berichtet.
Scheinbar harmlose Fotos schwarzer Frauen zeigt Zanele Muholi aus Durban. Doch allein der kurze Text dazu eröffnet einen Einblick in das Leben von Lesben in Südafrika, diskriminiert und geschunden. „Jedes einzelne Kunstwerk ist ein Fenster zu einer Geschichte“, sagt Lorz.