Glosse Zerstörte Einbauküche - Unser aller Wutanfall
Helden sind Menschen, die gerade dann zur Tat schreiten, wenn uns Normalsterbliche der Mut verlässt. Insofern hat jener unbekannte 25-Jährige aus Ludwigshafen alles Recht der Welt, auf unsere Verehrung zu zählen.
Mehrere Tage, so berichtet das Polizeipräsidium Rheinpfalz, habe der junge Mann im Zuge der Wohnungsrenovierung versucht, eine neue Einbauküche aufzubauen — „ohne dass sich erkennbare Fortschritte eingestellt hätten“, wie der Bericht etwas spitz anmerkt. Am Montagabend dann war sein Geduldspotenzial erschöpft: Vor Wut schlug er die Neuanschaffung wieder kurz und klein. Übrig blieb ein Trümmerfeld, Möbel und Einbaugeräte waren nur noch Schrott, zwei Streifenwagen rückten an, weil eine Nachbarin häusliche Gewalt vermutet hatte.
Nur ignoranten Zeitgenossen kann diese Geschichte Anlass für Häme und Schadenfreude sein. Verdient hat der Verzweifelte viel mehr Mitgefühl und grenzenlose Bewunderung — all jener Männer, die nicht im Baumarkt gezeugt, auf die Werkbank gebettet und im Hobbykeller großgezogen wurden. Denen die Aufforderung der Liebsten, doch endlich mal das versprochene Hakenloch zu bohren, das Wochenende verderben kann. Und die bei jedem Möbelrücken befürchten müssen, der vor Jahren zusammengelogene Ikea-Schrank werde gleich mit einem lauten Knall ihr Selbstbild eines Mannes für alle Fälle zerstören.
Der Wutanfall von Ludwigshafen ist unser aller Wutanfall. Eine Stellvertreterhandlung, die uns mit erlöst und unsere heimlichsten Träume Wirklichkeit werden lässt. Wo ist das Crowdfunding-Projekt, das dem Mann eine neue Küche samt Einbau finanzieren will? Meine 50 Euro wären ihm sicher.